Donnerstag, 30. Juli 2015
Wohnungssuche
Wir treffen uns wieder bei unserem Flüchtling. Er ist wie immer sehr aufgeräumt und freut sich sichtlich über die vielen Gäste. Das Begrüßen funktioniert mittlerweile schon viel besser, unsere Bemühungen, ihm ohne jegliche andere Sprachkenntnisse deutsch beizubringen, kommen langsam und mühsam, aber kommen voran.

Ich habe kurz Zeit mich mit dem Pfarrer in der Küche zu unterhalten. Er findet die Idee, dass ich diese phantastische Wohnung nach Ende des Kirchenasyls, und wenn wir eine passende Bleibe für den Flüchtling gefunden haben, übernehmen darf, auch immer besser. Er weiß mittlerweile auch von der Trennung, dass ich auf Wohnungssuche bin sowieso, denn ich hatte ihn sofort nach meinem Entschluss darüber informiert. In dieser Stadt sucht man am besten, indem man allen Bekannten erzählt, dass und was man sucht, nur so hat mein eine Chance etwas halbwegs bezahlbares zu finden. Und Pfarrer eignen sich hervorragend als Hobbyimmobilienmakler. Er will sich nun für mich einsetzen, seitdem bin ich völlig aus dem Häuschen, auch, weil ich zum ersten Mal das Bad - allein das wäre ein Einzugsgrund! - gesehen habe.

Während der Besprechung überlege ich schonmal, wie ich die Wohnung einrichten könnte. Ich würde sie nicht langfristig bekommen, aber das ist mir egal. Mein nächster Arbeitsvertrag wird mich wahrscheinlich sowieso in eine andere Stadt führen und solange möchte ich mit dem kleinen Mädchen hier wohnen: meterdickes mittelalterliches Mauerwerk, trotzdem recht hell durch die vielen Fenster mit altmodischen doppelten Fensterflügeln, Balken an den Decken, einige Wände steinsichtig mit vermauerten Bögen drin und viel Platz!
Ich versuche, mich nicht zu auffällig umzuschauen, wir haben aber auch Wichtiges zu klären. Wegen der Schul- und Semesterferien sind kaum Leute da und wir schaffen keinen zweimaligen Besuch mehr am Tag, sondern nur noch einen. Dann müssen wir für ein neues Gutachten nach Gründen suchen, warum ein Aufenthalt in Deutschland unserer Meinung nach unabdingbar ist und warum wir überhaupt das Kirchenasyl gewährt haben. Während wir alles zusammentragen und der Übersetzer, der nur selten mit dabei sein kann, alles in dieser seltsam klingenden Sprache leise weitergibt, wird deutlich sichtbar, wie sehr wir diesen sanften Menschen ins Herz geschlossen haben. Die Psychologin macht uns, selbst verwundert, darauf aufmerksam, dass - trotz Folter, Vertreibung und Mord einiger Familienmitglieder - von ihm kein Hass ausgeht. Irgendwie brauchen wir das aber auch, oder es macht uns diese Betreuung einfach leichter, in ihm einen ganz besonderen Menschen sehen zu dürfen.

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