Donnerstag, 8. September 2016
Projektende
Abschlusssitzung des Forschungsprojekts. Ich sehe ihm etwas ängstlich entgegen, da ich mit meinen Aufgaben längst nicht so weit bin wie erhofft. Vor ein paar Tagen spontan den Projektleiter angerufen, nachdem er mich immer wieder um detaillierte Aufstellungen gebeten und diese nie erhalten hat. Transparenz. Er weiss nun also, dass ich in den letzten Monaten kaum gearbeitet habe, hat sofort kontruktive Lösungsvorschläge, die ich einige Tage später auch annehmen kann. Ich kann wieder freier atmen, wenn ich an diese Sache denke.
Während der Sitzung beschützt er mich. Lächelnd erzählt er, dass wir längst im Gespräch sind und ich kann mein Gesicht wahren. Es muss es nicht tun, ich hatte ihn auch nicht darum gebeten. Nicht nur deswegen ist die Sitzung sehr angenehm. Die einzig noch verbleibende Doktorandin begeht einen Anfängerfehler nach dem anderen, aber es ist nicht meine Mitarbeiterin, ich bin nicht für sie zuständig. Ich habe noch die eindringlichen und strengen Worte einer Professorin damals an mich und andere junge Doktorandinnen im Ohr: "Backt nie einen Kuchen für eine Besprechung oder ähnliches! Egal ob ihr es gut könnt oder gerne macht, tut es nicht!" So einen Rat hätte unsere Doktorandin auch brauchen können, obwohl er verdaammt lecker war, der Schokoladenkuchen. Auch dass man unter keinen Umständen seinen jungen Hund, der noch nicht alleine bleiben kann, mitbringt und sei er noch so süß. Dann noch sich verantwortlich gefühlt, wo es in die Leitungseben gehörte und die Kleidung, nun ja, nicht ganz angemessen.
Nach der Sitzung fragt mich der Museumsdirektor, ob es bei meiner Habilschrift immernoch um das besagte Thema ginge und dass er es ganz wertvoll und spannend fände. Mittlerweile fällt es mir leicht darauf zu antworten, dass ich diese Schrift schon vor vielen Monaten an den Nagel ghängt habe und sein Bedauern, falls ich mich ganz aus der Forschung zurückziehen werde, klang aufrichtig und tat gut. Er erzählt von seiner mit zwei Jahren adoptierten Tochter und wie schwer die Anfangszweit für ihn und seine Frau war.
Dann loben wir uns zum Abschluss alle gegenseitig, zu Recht, es war wirklich ein tolles Projekt! Wie viel man doch auf die Beine stellen kann ohne Konkurrenz, Platzhirsche und Kleinkriege! Wenn dies mein Abschied aus der Forschung sein sollte, in einigen Monaten noch durch unsere Publikation veredelt, dann war es ein gutes Ende.

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Freitag, 29. April 2016
Büro
In der Schublade meines nicht abgeschlossenen Schreibtischs in meinem bei Abwesenheit stets verschlossenem Büro eine alte Bücherrechnung gefunden eines Mitarbeiters, der vor einigen Jahren in Ungnade aus dem Institut entlassen wurde und mein Schreibtischvorgänger war. Das Papier lag vor zwei Tagen ganz offensichtlich noch nicht dort. Der Exkollege hatte noch längere Zeit ein Postfach in meinem Büro aktiv und holte seine Briefe immer in unserer Abwesenheit ab, bis einer der Institutsleiter darauf aufmerksam wurde und veranlasste, das einzustellen und gleichzeitig die Person zur Rückgabe des Transponders, mit dem man den Institutstrakt und nahezu alle darin befindlichen Büros öffnen konnte, aufzufordern.
Das liegt Monate zurück und der Transponder wurde auch laut Unterlagen abgeliefert. Er muss allerdings noch mehrfach danach in meinem Büro gewesen sein, wie sich nun herausstellte. Da der Mensch recht zwanghaft und sozial inkompatibel ist und überhaupt, fahndet nun unsere Sekretärin nach allen Transpondern, die sich nicht eindeutig aktuell hier arbeitenden Personen zuordnen lassen (offensichtlich sind das eine ganze Menge) und lässt sie sperren.

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Donnerstag, 17. März 2016
Entscheidung
Meine schöne Forschungsprojektstelle läuft im Sommer aus. Verlängerung nicht möglich. Mein Plan war, die kommende Arbeitslosigkeit dazu zu nutzen, um endlich meine noch immer nicht publizierte Diss zu veröffentlichen. Vier Monate dafür wären prima, da ich gerade wegen des kleines Mädchens ohnehin nicht viel arbeiten kann. Finanziell wird es zwar knapp, aber das ist es mir wert.
Jetzt hat man mir eine Elternzeitvertretung angeboten. Ich bin bestens eingearbeitet in den Bereich, es kommt was Neues hinzu, dass mich reizen würde und dennoch hält sich meine Begeisterung in Grenzen. Sie würde direkt im Anschluss losgehen und es wäre wieder nicht daran zu denken, mich nochmal für einen längeren Zeitraum konzentriert an den Schreibtisch zu setzen.

Ich überlege ernsthaft die Stelle nicht anzunehmen, auch wenn es wahnsinnig klingt, weil sie natürlich Chancen für die Zukunft bieten kann. Eine publizierte Diss allerdings auch.

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Montag, 8. Februar 2016
Vortrag
Die Flyer der Tagung werden nochmal aktualisiert und versendet. Aha, eine Freundin von mir wird auch dort sprechen. Aber ich mag nicht. Warum musste ich unbedingt auf diesen Call antworten? Und warum, wenn ich schon so blöd bin, mussten die mich auch auswählen?! Weil ich gerade immer ausgewählt werde.
Ich weiß, wenn ich erstmal dort in der kleinen Stadt bin, wird mich der Sog von solchen Tagungen wieder erfassen. Wenn ich dann mit meinem Vortrag dran bin, werde ich Spaß dran haben und es gut machen, werde ich Lob ernten und das ganz nett finden. Aber ich lebe nicht mehr dafür. Und höchstwahrscheinlich werde ich auch diesmal die geplante Publikation ablehnen. Jetzt noch nicht, damit ich vor mir selbst den Schein der erfolgreichen Wissenschaftlerin wahren kann, erst kurz vor der Deadline.
Manchmal wünsche ich mir meine alte Begeisterung zurück, dann müsste ich mich nicht mehr fragen, wohin es jetzt gehen soll? Dann müsste ich mich nicht zwingen, endlich mit der Vorbereitung anzufangen, die alten Texte lesen, was Neues daraus machen.

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Mittwoch, 27. Januar 2016
Druck
Gestern wegen Migräne früher nach Hause. Das war abzusehen, wenn ich tagelang mit Verspannungskopfschmerzen herumlaufe. Der längst abgesagte Aufsatz muss nochmal entschieden werden, da die Herausgeber mich unbedingt in ihren Band dabeihaben möchten und vom Verlag eine Verlängerung des Abgabetermins eingeräumt bekommen haben. Ich würde ja auch gerne, aber wie? Gleichzeitig mit dem Abgabetermin hätte ich einen Vortrag zu halten und gleichzeitig habe ich außerdem einen Berg Korrekturen und muss selber noch anderes schreiben. Außerdem, und das ist mir gerade das allerwichtigste, habe ich gleichzeitig ein kleines Mädchen, das mich gerade besonders viel braucht.
Der wichtigwichtig Professor meines Forschungsprojekts bekräftigt von einer Geschäftsreise aus seinen Wunsch, meinen Beitrag mit zu veröffentlichen. Ich bin gerade, mit einem bald endenden Vertrag und ohne weitere Perspektive, eigentlich nicht in der Lage ständig Absagen zu erteilen.

Aber ich will nicht. Meine, vor wenigen Monaten mir noch so heilige Forschung, interessiert mich gerade einen Scheißdreck.

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