Freitag, 25. Mai 2012
Ganz und kein Garnicht
Nach dem ersten Verkuppelungsversuch des schönen Therapeuten beim Brunch hatte sich besagter Mensch erst mal nicht gemeldet, ich auch nicht und mit meiner Nase in den Büchern fiel mir das auch garnicht weiter auf. Dann doch noch ein Anruf und die Einladung zu einer Radtour schlug ich aus, denn einen ganzen Tag mit diesem seltsamen Naturjungen zu verbringen, war mir nicht geheuer. Weitaus machbarer fand ich dann den Vorschlag, zusammen das Konzert eines legendären Jazz-Quintetts aus New York zu besuchen. Irgendwie ergab sich aus dem Gespräch dann auch noch, dass ich vorher schnell bei mir etwas koche und so saßen wir bei einem orientalischen Pilaw auf meinem Balkon und in der letzten Abendsonne entzündete sich mir gegenüber ein lebhafter und enthusiastischer Funkenregen. Faszinierend, wie man so begeistert erzählen und sich in einem fort über Kleinigkeiten wie ein Junge freuen kann.
Auf dem Weg zum Konzert mit den Rädern schlug er einen anderen Weg vor, als ich ihn genommen hätte, einen Umweg, damit wir noch die letzten Sonnenstrahlen auf der Höhe abbekommen könnten und kamen letztendlich an einer ganz anderen Stelle der Stadt aus, als es für ein rechtzeitiges Ankommen förderlich gewesen wäre. Also doch nochmal Stadtverkehr und diesmal hatte er Mühe Schritt zu halten, obwohl er das um Klassen bessere Rad besitzt, indem ich meine in Italien erlernte Kamikazefahrweise einsetzte. Aber Jazz-Konzerte beginnen ja grundsätzlich verspätet und so begrüßte der Naturjunge mit lebhafter Herzlichkeit alle möglichen Bekannten und stellt mich vor und ich wurde neugierig beäugt und freundlich aufgenommen.

Ich kenne mich mit Jazz nur verhalten aus, durch den Theologen erst bin ich dieser Musik näher gekommen, aber dieses Konzert war der Hammer! Grandios war der Schlagzeuger, der zwar ruhig und lässig hinter seinem Aufbau saß und dabei um sich herum tausende Explosionen erzeugte.

Und ich schwanke zwischen Abwehr und Anziehung. Dieser Mensch passt so garnicht in meine Welt und seine Hingabe an Musik, die Natur, sein Radfahren und jede kleine Situation zwischen uns finde ich verstörend. Hat er denn keine Angst, nicht irgendwo, etwas falsch zu machen, sich zu blamieren? Ich finde keine Schublade. Ich wäre gerne so und irgendwo vergraben bin ich es auch und habe Angst vor diesem Gedanken. Und als ich alleine zu Hause bin, nachdem er mich mit dem Rad bis zur Haustüre begleitet hat, obwohl er dann heim noch einmal die ganze Stadt durchqueren musste, beherrschen mich bis zum Einschlafen noch zwei Gedanken: Hoffentlich habe ich mit meiner Bewerbung Erfolg und ziehe in wenigen Wochen weg. Und: Wie es wohl sein würde ihn zu küssen?

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