Mittwoch, 23. April 2014
Blitzengel
Eine meiner Aufgaben als frischgebackene Kirchenvorständlerin ist es, auch mal Lesungen im Gottedienst zu halten. Ich mach das nur, wenn es vorher einer mit mir übt, sage ich dazu und der neue Pfarrer macht gleich einen Termin mit mir aus. Beim zweiten Anlauf klappt es dann auch mit dem Treffen in der Kirche, Als ich hereinkomme, macht er gerade "Test, Test, Test" ins Mikro und erzählt dann erstmal viel und interessant über das Sprechen und Lesen und die Unterschiede zu sonstigen öffentlichen Ansagen. "Sie verkünden, vergessen sie das nicht, es ist eine Verkündigung!" Wir diskutieren, ob wir die Kirche absperren sollen oder nicht und ich entscheide mich dagegen. Heute mutig. Er überlegt, mit welchem Text ich beginnen soll, blättert in der Bibel hin und her und legt mir dann einen mir wohlbekannten Text vor. Kein Zufall. Es ist genau die Stelle, die soviel mit meiner Forschung zu tun hat, mit der ich jahrelang so gerungen habe, an der ich beinahe zerbrochen und dann so gewachsen bin. Es ist vielleicht auch die Stelle, die mich dann über viele Umwege schließlich zum Kircheneintritt geführt hat und wegen der ich jetzt dort stehe. Am Adlerpult. Das ist noch nicht alles, denn die Evangelienauswahl führt mich zurück zu den Erlebnissen aus meiner Kindheit. Sie beschreibt genau das, was ich damals so oft gesehen hatte, was mich so getragen hat, auch in der Erinnerung viel später in meinen dunkelsten Zeiten.

Ich sage davon nichts und lese und werde dabei ganz groß. Immer wieder wiederholen wir und er gibt mir Tipps, wie es besser gelingen könnte: Lauter, klarer, so oder so betont. Die Leute in der Kirche stören mich nicht mehr. Dann einen schwierigen Text, aus einem Paulusbrief, kaum verständlich und so auch sehr mühsam zu lesen. Wir müssen viel lachen und albern. Es tut gut mit einem Menschen zusammenzuarbeiten, der genau das macht, was er ist, von dessen Begeisterung und Liebe man sich gerne einfangen lässt.

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