Freitag, 8. November 2013
Anzugmann
Als meine Schwester im Sommer heiratete, kam der verrückte Radfahrer ohne Anzug mit. Er hatte keinen. Das vom schönen Therapeuten abgelegte Jackett war durchaus edel und bester Qualität, wurde aber von mir kategorisch abgelehnt, weil zu groß und aus warmer Winterwolle. Dann lieber nur mit Jeans und Hemd, das von mir noch gebügelt wurde. Er versprach mir damals, dass wir für die nächste Gelegenheit einen Anzug kaufen würden. Die Gelegenheit naht, mein Institut plant eine große Feier und ich wünsche mir an meiner Seite einen Mann mit Anzug, hatte aber auch eigentlich innerlich schon mit dem Thema abgeschlossen. "Identifizieren Sie sich nicht über Ihren Partner", mahnte schon meine Therapeutin. Also wieder Hemd und Jeans, schön ist er ja auch so.

Kurzfristig beschloss der Radfahrer sein Versprechen einzulösen und wir trafen gestern beim Herrenausstatter ein, wo auch der immer elegant gekleidete schöne Therapeut einzukaufen pflegt. Ich gab die Koordinaten durch: Multifunktional, saisonunabhängig und auch in zehn Jahren noch tragbar. Der Inhaber hätte seine Sache nicht besser machen können. Er gab dem Radfahrer nie das Gefühl, hier fehl am Platz zu sein und erklärte geduldig, wie man einen Anzug trägt (Knopf auf), dass das mit den Änderungen auf Kosten des Hauses ganz normal und auch ohne Trinkgeld ginge, welches Hemd zu welcher Gelegenheit. Ich bewunderte derweil, während ich das kleine Mädchen in den sehr bequemen Ledersofa stillte, wie sich dieser Outdoormensch in einen eleganten und stolzen Stadtmenschen verwandelte. Der Inhaber und ich entschieden einstimmig, dass hier keine Krawatte an den Mann gehört, sondern die italienische Variante, nur Anzug und Hemd, völlig ausreichend und passender sei.

Jetzt kann ich mich beruhigt der eigentlich wichtigen Frage zuwenden: Welches meiner Kleider geht schon wieder und ist außerdem stilltauglich?

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