Freitag, 6. März 2015
Blitzliebeskummer
Auf dem Weg zur Tagesmutter sagt das kleine Mädchen im Radanhänger hinter mir, er ist geschlossen, weil es bergab doch noch recht kalt wird, "Mama beint". Sie kann mich nicht sehen, aber sie kann es wohl fühlen. Bei der Tagesmutter wollte ich eigentlich dieser lieben Frau nur sagen, dass die Kleine gerade vielleicht etwas durcheinander sein könnte, aber da weine ich schon wieder.
Jetzt ist das kleine Mädchen krank. Nicht verwunderlich. Eben wegen der neuen Situation seit fünf Tagen, aber auch, weil die anderen Kinder in der Gruppe alle Grippe hatten. Gestern Nacht war sie nochmal wach, mit Fieber, aber nicht weinerlich. Verlangt, dass ich zu ihm gehe, das wollte sie schon mehrfach vor der Aussprache. "Mama Papa hingehen." Nachdrücklich. Ich würde ja gerne.

Seit einigen Wochen ging es mir viel besser. Kaum noch aggressiv, fühlte mich wieder als Frau und konnte in ihm auch wieder einen Mann und nicht nur den großen bockigen Jungen sehen, der mir immer entgegentrat. Es war zu spät. Er sagte mir, und auch erst, als ich das Wort mal ausgesprochen hatte, dass er sich eigentlich schon vor langer Zeit von mir getrennt habe.

Zwei Tage und Nächte schlimm. In der dritten Nacht kam auch Erleichterung dazu. Und jetzt? Sowieso, aber nach dem Gespräch mit der wunderbaren Frau vorhin noch viel mehr: Stärke, Leichtigkeit, manchmal sogar geradezu Beschwingtheit. Und eben Erleichterung: Nein, ich muss die nächsten Jahrzehnte nicht unbedingt mit einen Partner verbringen, der ständig und bis zur Erschöpfung mit seinem Rad auf der Flucht sein muss, der alle Abende draußen auf der Terrasse sitzen will, der Angst vor Konflikten, einer neuen Wohnung oder sonstigen Veränderungen hat, der Gummistiefel sammelt und Frauenkleider trägt.
Und nun verstehen wir uns prächtig. Intensive Gespräche, über all die wichtigen Themen, die in den letzten Monaten nicht angesprochen wurden, und endlich die Augenhöhe, die ich mir immer gewünscht habe. Von ihm, der sich ja eigentlich getrennt hat, kommt viel Wärme, sogar die ein oder andere Zärtlichkeit.

Ich will gerade nicht überlegen oder sogar hoffen, ob wir uns wieder annähern können, ob ich es überhaupt möchte. Ich bin gerade einfach neugierig, wie in einem Spiel, wie es weitergeht. Die wunderbare Frau fasste es so zusammen: Er hat dich im Wochenbett alleine gelassen, als du bedürftig warst, er aber nicht in der Lage war, und wenn auch nur für eine zeitlang, die Versorgerrolle zu übernehmen (also emotional, Haushalt hat er ja gemacht und mich mit dem Kind entlastet, wo er nur konnte). Ich habe also wieder, wenn auch auf aggressive Art, die Überverantwortung übernommen, also für ihn die Mutterrolle. Gleichzeitig habe ich den kleinen Jungen abgelehnt, seine Kindersprache verboten, ihm genervt Tischmanieren beigebracht. Dann habe ich den kleinen Jungen verlassen, als ich mich wieder dem Mann im verrückten Radfahrer zuwandte - das wurde ungemütlich für ihn, weil er nun wieder Verantwortung für sich selbst übernehmen sollte. Daraufhin hat er die Mutter, die ich für ihn verkörpere, streng und demütigend, verlassen und wir treffen jetzt als Erwachsene aufeinander. Also hat mein Entwicklungsschritt doch einen von ihm nach sich gezogen und dies ist erstmal als ein Erfolg zu werten.

Wegen des kleines Mädchens tut es mir Leid. Ich wollte für sie eine intakte Familie und hab es doch wieder vermasselt.

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