Mittwoch, 21. Mai 2008
warten
Am liebsten würde ich mich an die Straße stellen und einfach warten, dass mich J. abholt. Erst in etwa zwei Stunden, aber egal. Weil das natürlich völlig unsinnig ist, sitze ich vor dem Computer und öffne abwechselnd meine beiden Mailboxen. Ich erwarte keine Email, ich tue nur irgendwas.
Ich war jetzt so lange nicht mehr traurig, dass ich keine Verwendung mehr für diesen Zustand habe. Konnte es nicht einfach so glücklich weitergehen?
Es ist nichts passiert, nur das Gefühl der Ablehnung seit gestern. Es geht nicht um die Stelle, es kommen andere Chancen, die vielleicht besser zu mir passen und deren Zeitpunkt ich selber bestimmen kann - das ergab ein Gespräch heute Mittag mit Exchef.
Du fehlst an allen Ecken und Enden sagte er. Lob und Komplimente macht er nur einmal pro Dekade. Er machte sogar eine Andeutung wegen einer festen und gut bezahlten Stelle - es erreicht mich gerade nicht.

Vielleicht ganz gut, wenn du mal für ein paar Tage da raus kommst meint J. und zählt auf, was wir alles schönes machen können. Auch das erreicht mich nicht. Es kommt mir wieder alles so überaus schwer vor. Müde.
Ich könnte mich an der Straße auf den Mauervorsprung setzen, so dass ich das gelbe Auto möglichst früh sehe, ich würde noch nichtmal ungeduldig werden, sondern einfach warten.

Nachtrag: Exchef schrieb mir gerade eine Email. Sie macht kaum einen Sinn. Ausser: er gibt mir damit einen versteckten Hinweis! Wenn ich das richtig deute, gibt er mir zu verstehen, mir in einer ganz bestimmten Richtung weiter Gedanken zu machen und diese dann zum neuen Professor zu tragen.

Ich glaube, es wird mir wirklich guttun ein paar Tage da raus zu kommen...

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Dienstag, 20. Mai 2008
Die Bewerbung nimmt mehr Raum ein, als ihr ehemals zugedacht wurde. Ich versuche alle Dinge, die in diesem Zusammenhang gesagt wurden, unter einem Hut zu bringen, wissend, das es unmöglich ist.
- E. erzählt beim Essengehen gestern, dass die Bewerberlage sehr gut sein. Sehr gut, heißt sehr schlecht für mich.
- E. wieder, die mir mitteilt, dass sie mich vorrübergehend aus dem Verteiler genommen hat. Ein normales Verfahren.

Micha hat über meinen neuen Kollegen, eine unsägliche Quasselstrippe und mit ihm befreundet, einiges erfahren:
- der neue Professor findet die Bewerberlage schlecht
- man hat drei zusätzliche Kandidaten zur Bewerbung aufgefordert, was bedeutet, ich bin eigentlich nicht mehr im Rennen
- ich kenne eine von denen und finde sie furchtbar!

Schlimm ist, ich bekomme jetzt Angst vor einer Ablehnung und zwar so richtig.
Ich will diese furchtbare Person nicht auf einer bessere Position haben, als ich sie an meinem Insitut habe und sie wird erfahren, dass ich mich auch beworben hatte.
Ich kann gerade den Gedanken nicht ertragen, dass meine Kollegen über mich diskutieren und mich verwerfen oder es schon längst getan haben.
Nicht jetzt.

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Sonntag, 18. Mai 2008
Wochenplan
Die Therapeutin schlägt vor, für die kommende Woche einen Wochenplan zu erstellen - jetzt gleich. Zum ersten Mal find ich sie für einen kurzen Moment nicht nett, dann liegt aber auch schon ein weißes Blatt Papier und ein Kuli vor mir. Ich frage, ob Sie mir nicht wenigstens ein Papier mit vorgefertigten Spalten für die einzelnen Wochentage geben könnte. Sie meint, Spalten macht man mit einfachen Strichen und die Wochentage kann ich drüber schreiben. Sie hat bestimmt in dem Bericht aus der Klinik das über die Wochenpläne gelesen...

Kommen Sie, die nächste Woche hat nur drei Arbeitstage, das sind einfache Bedinungen, sagt sie und ich mache mich an den Plan: Seminar, Prüfungsbeisitze, Besprechungen. Montag und Dienstag werden gut gefüllt, der Mittwoch bleibt frei, weil da keine Termine anstehen. Und jetzt die Zeit für die Diss! Alle freie verfügbare Zeit wird mit promovieren ausgefüllt. Pausen? Ich deute mit dem Stift vage auf die Mitte jeder Spalte, wo man Mittagspause machen könnte. Sie nimmt mir den Kuli aus der Hand und schreibt die Mittagspausen als Termin rein und außerdem Pausen in jeden Vor- und Nachmittag. Raus aus dem Büro in diesen Zeiten!
Fühlt sich eigentlich ganz gut an, dieser Plan. Irgendwie nicht so bedrohlich wie meine eigenen im Kopf.

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Donnerstag, 15. Mai 2008
Zwei Punkte
Sie wissen es, sie wissen alle von meiner Bewerbung. Aber es redet niemand darüber. Heute in der Besprecbung wurde der Termin für die Bewerbungsgespräche festgelegt. Doktorvater II wird nicht da sein und das war Absicht!

Ich räumte gerade meine Sachen zusammen, als meine Kollegin A. vorbeikam. Wir scherzten über diese absurde Besprechung, über das schon dreiste Vorgehen von Vize und neuem Professor. Ich fragte vorsichtig, ob sie von meiner Bewerbung wisse. "Natürlich und ich unterstütze sie voll!" Wir sind uns aber beide im Klaren, dass ich es eigentlich nicht werden kann.

Trotzallem: ich habe heute zwei Punkte für mich eingesammelt. Zwei Punkte von einer unbekannten Größe.

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Dienstag, 13. Mai 2008
4., 5. und 6. Seminarstunde, wir werden ein gutes Team
Bisher habe ich noch keine wirklich oder auch nur annähernd schlechte Präsentation gehabt und bei mir stellt sich Routine ein. Auch bei den Studenten. Sie haben langsam begriffen, worauf es mir ankommt.

Leises Stöhnen als ich die Abfahrtszeit für unsere erste Exkursion verkündete: kurz nach 8 Uhr. "Haben Sie denn keinen Wecker?" War nur mein Kommentar dazu. Alle scheinen sich aber auf den Ausflug zu freuen. Wahrscheinlich wirds auch lustig. Dann aber auch für mich mörderisch anstrengend, den ganzen Tag 34 Studenten auf Trab zu halten.

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Samstag, 10. Mai 2008
getrocknete Aprikosen
Der Wahnsinn begann vorhin mit dem Anruf von einem meiner Kollegen: "Bewirb dich doch auf die Stelle! Promotion ist nicht immer das Wichtigste."
Wir diskutieren lange, ich wehre mich, es wird in der Ausschreibung ausdrücklich eine Promotion verlangt und ein Habilthema, beides habe ich nicht. Ich hatte noch nichtmal selber über eine Bewerbung nachgedacht, ich hatte
sie, als sie über den Verteiler kam zu Kenntnis genommen und gleich wieder gelöscht, ich hatte sie ehrlich gesagt schon längst wieder vergessen.

Ich traue mich auch nicht, die anderen zu fragen, was die dazu meinen, wie mein Kollege vorschlug. Er schien es wirklich ernst zu meinen.
Lachend erzählte ich mittags J. davon, weil wir gerade beim Thema waren: die anstehende Bewerbung für seine Traumstelle. Er fands nicht lächerlich: "Stell dich endlich der Realität, du gehörst in die Forschung!"

Alles wieder vergessen, bis mich gerade die Email unserer
Geschäftsführung erreichte: "Machs ruhig, man weiß nie!" Mein Kollege hatte mir ihr gesprochen, wohl auch noch mit anderen aus dem Institut.

Aus Nervosität habe ich gerade eine ganze Tüte getrocknete Aprikosen gegessen. Was anderes hatte ich nicht im Büro.

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Sonntag, 27. April 2008
Gute Tagung...
...eher ein Workshop, aber richtig gut wars!

Den Vortragstext zu schreiben war wie jedesmal der schwerste Schritt. Wieder hat es mich zwei Tage von allem abgehalten: kein Sport, kein Chor, kein Essengehen mit den Kollegen, keinen Feierabend. Aber ich habe den Text diesmal alleine geschrieben.
Als er dann endlich fertig war, samt der PowerPointe, gings mir richtig gut. Kein Heulkrampf und nur wenig der üblichen Selbstzweifel.
Der Vortrag von der frisch emeritierten Professorinaus Schottland war erfrischend und ich war elektrisiert von ihren Thesen - nicht von allen! So bestritten wir beide die anschließende Diskussion fast alleine und ich war hinterher erstaunt, wie leicht mir das alles gefallen ist. Kein minutenlanges Zögern, soll ichs sagen und wenn ja, wie...?

Die Erschöpfung holte mich dann aber nach dem Essen schlagartig ein und ich verließ sehr früh die Gesellschaft.

Am nächsten Morgen - gestern - starteten dann unsere Vorträge und ich war einfach nur entspannt, gutgelaunt und wartete auf meinen Einsatz. Wertvolle Anregungen von beiden Schotten, herzliche Diskussionen und man teilt meine Meinung: darüber mehr forschen!

Am Ende habe ich noch die Abschlussmoderation übernommen und gut durchgestanden, die Schotten haben es mir mit ihrer unermüdlichen Gesprächsbereitschaft auch leicht gemacht. Vor einiger Zeit wäre so eine Aufgabe für mich noch der größte Alptraum gewesen!

Woher kommt so plötzlich dieses Selbstbewußtsein? Alles aus der Klinik?

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Dienstag, 22. April 2008
3. Seminarstunde, in der die ersten Referate gehalten wurden
Verplüffend gut vorbereitet waren die drei Kandidaten, die je ein Thema vorstellen sollten. Bei einer hatte ich einiges zu bemängeln, aber die drei hatten ja noch Narrenfreiheit als die ersten, die sich trauen.
Ich war früher nicht so selbstbewußt, wie die heute auftreten.

Nach der Sitzung: erschöpft. Zum Glück war unser neuer Professor, mit dem ich und zwei andere aus dem Mittelbau Essen gegangen sind, heute sehr albern drauf.

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Samstag, 19. April 2008
Therapeutin
Meine neue Bezugsperson, Coach, Mutter, Trainerin und gute Freundin habe ich gestern kennengelernt. Leider werden wir uns wegen meiner Verpflichtungen erst übernächste Woche wiedersehen, ich vermisse sie jetzt schon.

Das liegt wohl garnicht so sehr an ihrer Person, sondern an ihrem Stand für mich: Alle Therapeuten, sie ist die Nr. 4, werden von mir auf einen Sockel gestellt und verkünden das neue Gesetz. Sie ermutigte mich, kritischer zu werden in dieser Einstellung und auch sie nach den Probestunden wieder abzuwählen, wenn ich nicht zufrieden bin.

Ganz abgesehen davon, ist sie sympathisch, hat einen leichten Sprachfehler, sehr runde Hüften,kann gute Fragen stellen, trägt zu kurze Socken und ich fühle mich in ihrer Gegenwart wohl. Nur den Namen habe ich wieder vergessen.

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Mittwoch, 16. April 2008
Wahrheit
Bei J. übernachtet und schlecht geschlafen. Müde und gereizt fällt beim Frühstück eine Bemerkung von mir schärfer aus als gewollt. Wir streiten. Wir streiten fast nie, aber heute heftig. Im Auto geht es weiter, mittlerweile sind wir bei Grundsatzdingen angekommen. Kurz vor dem Bahnhof, von dem aus ich mit dem Zug weiterfahre, er in die entgegengesetzte Richtung mit dem Auto, schlägt er vor, mich noch ein Stück weit der Bahnlinie entlang zu fahren, um nicht so auseinander zu gehen. Das machen wir oft, wenn ich mal wieder nur noch die Schlusslichter des Zuges gesehen habe.

Ich habe Angst und weine, denn das was ich wirklich sagen will, traue ich mich nicht. Schon öfter hatte ich vorsichtig einen Versuch gewagt und jedes Mal Unverständnis und Ärger geerntet. Gott hatte mich immer wieder ermutigt, mit ihm darüber zu sprechen, ich habe immer aus Angst einen Rückzieher gemacht. So auch heute. J. bittet mich, es nicht bei Andeutungen zu belassen, beschwört mich, dass wir doch über alles reden können müssen. Ich kann vor Angst kaum noch atmen bitte hilf mir, ich wage es einfach nicht, mein Gott „Und wenn du mich dann für verrückt erklärst, wenn du mich auslachst, wenn du das für blasphemisch hältst?“ frage ich Herr, steh mir dabei bei „Dann werde ich das vielleicht alles tun und wir werde darüber reden können, aber bitte sprich mit mir, was dich so sehr belastet.“ „Dieses Gespräch wird alles zwischen uns ändern, lass uns einfach weitermachen wie bisher“ Mein Gott, bitte heute nicht, er wird mir nicht zuhören HAB KEINE ANGST, ICH BIN BEI DIR, ER WIRD DIR ZUHÖREN dann hilf mir bitte, die richtigen Worte zu finden „Wenn du mit mir nicht darüber reden kannst, was dich bewegt, dann wird das auch einiges zwischen uns ändern. Ich werde dir zuhören.“ ich habe immer noch Angst und wenn ich nicht recht hab? wenn ich dich immer falsch verstanden habe? wenn ich mir deine Stimme nur einbilde? wenn das alles gar nicht war ist?

Dann beginne ich. Er fährt mich bis zu mir nach Hause. Er hört mir zu, er glaubt mir, er muss mir ja glauben. Auf der nun zweistündigen Fahrt zu seinem Büro wird er viel nachzudenken haben.
Danke

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