Mittwoch, 30. Oktober 2013
Konflikt 2
Endlich Streit. Besser als sich ständig aus dem Weg zu gehen. Starke Worte die wehtun. Er währt nur kurz und wird vertagt. Am Ende gestehen wir uns beide ein, wie sehr wir Angst um uns haben.

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Dienstag, 29. Oktober 2013
Konflikt
Einen Konflikt endlich ausgetragen und jetzt gilt es einfach nur auszuhalten, nicht von allen Seiten Recht zu bekommen und dass eine Person mit mir hadert. Vielleicht wäre ein anderer Weg besser gewesen, als eine Email mit cc an die beiden Vorgesetzten. Aber dann hätte sich das lange Telefonat mit einem der beiden heute nicht ergeben, oder nur nach weiteren zähen Emails später. Man versucht mich zu überzeugen mit starken Worten, wie "für die lege ich meine Hand ins Feuer", "sie hat immer gute Arbeit geliefert", aber die Ergebnisse auf meinem Schreibtisch sprechen eine andere Sprache: Die wichtigste Forschungsliteratur unterschlagen, unzulässige Abkürzungen versucht.

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Montag, 7. Oktober 2013
Nasengefühl
Das war nun unser erster Schritt auf der Suche nach Kinderbetreuung. Mir ist eine Tagesmutter lieber, als eine Kita und diese wohnte ganz nah bei uns, so dass ich auch zu Hause arbeiten könnte, ohne gleich mit Wegen in die Stadt über den Berg viel Zeit zu verlieren. Aber viel wichtiger ist mir natürlich, dass sich das kleine Mädchen bei ihr wohlfühlt. Ich hatte also eigentlich vor, ihre Reaktionen in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen. Aber jetzt war sie hundemüde, weil der Vormittag mit Mit-Papa-Einkaufen viel zu aufregend war und sie nur kurz geschlafen hatte. Beim Mittagsstillen musste ich sie wieder wecken, weil wir ja das Treffen zum Kennenlernen hatten. Sie hat also nicht einmal gelächelt, obwohl sie gerade alle Griesgräme mit ihrem Charme beschenkt, sie hat sogar zum Ende angefangen zu weinen, weil sie dann wirklich nicht mehr konnte.
Zugegeben, die Frau ist sympathisch und hat auch erstmal alles richtig gemacht. Ihr Konzept klingt gut, die Einrichtung schön gemacht, aber auch nicht überambitioniert. Dass sie mit Akzent spricht, stört mich nicht, auch nicht, dass sie gerade erst anfängt. Im Gegenteil, mir kommt entgegen, dass sie erstmal nur drei Kinder betreuen darf. Aber dann war da noch dieser Geruch. Ich habe nachgefragt, ob sie gerade geputzt habe, ob sie stark parfümierte Sachen benutze, Lufterfrischer oder ähnliches. Mache sie nie, weil ihr Sohn Neurodermitis habe, aber der Geruch hat mich bis zum Ende gestört. Ich habe immernoch eine hochempfindliche Nase und halte sie auch für einen Gradmesser was das Kind anbelangt.
Ist das nun mein Bauchgefühl durch die Nase übermittelt oder bin ich überempfindlich?

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Samstag, 7. September 2013
Stuhl
Es ist nicht schade um den Stuhl. Ein einfacher Holzstuhl, Massenwahre. Die Trümmer liegen noch im Sschlafzimmer, weil doch Besuch kam. Aber die Lücke erinnert ständig. Ich weiss auch nicht mehr, wie das passieren konnte. Ja, ich war gereizt, weil überall Sachen herumlagen und hätte 10 Minuten zuvor beinahe ein Glas zu Boden geworfen. Ich war müde und hätte mich gerne hingelegt, fühlte mich aber dazu zu unruhig. Dann wollte ich nur die Sachen vom Stuhl nehmen, eine Jeans, ein Tragetuch und ein Kissen, und als nächstes hatte ich ihn schon zertrümmert.
Ich war allein, zum Glück.

Ich habe keine Ahnung, woher diese Aggression plötzlich kommt. Sie soll wieder verschwinden.

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Mittwoch, 4. September 2013
Realität
Ich komme gerade in der Realität an und das heißt insbesondere: Akzeptieren, Tolerieren, Hinnehmen.

Der verrückte Radfahrer und ich leben nun seit einem halben Jahr zusammen, haben seit viereinhalb Monaten ein Kind und sind seit ca. 14 Monaten zusammen (kennen tun wir uns auch nur ein paar Wochen länger). Wir sind also aus dem Gröbsten heraus: Wir haben unsere Sachen alle in seiner Wohnung untergebracht, mit dem Kind läufts und jetzt sortieren wir gerade uns. Vorher kamen wir nicht dazu (ich mußte noch ganz viel schreiben, bevor das Kind kam, er ganz viel radfahren).
Ich bin bei diesem Sortieren nun an diesem Punkt angelangt: Ich liebe ihn, möchte mit ihm - nicht nur, aber auch - wegen des gemeinsamen Kindes eine längerfristige (sagen wir ruhig für immer) Zukunft haben und gleichzeitig kenne ich nun viele seiner Macken und bin klug und lebenserfahren genug um zu wissen, dass bleibt bei fast allen jetzt für immer so, schlimmstenfalls kommen mit dem Alter noch weitere hinzu oder werden ausgebaut.

Ich muss also jetzt damit leben, dass:

- man auch in größter Eile morgens frische Brombeeren fürs Frühstück von der Hecke oberhalb des Feldes (da sind sie gerade am besten!) pflücken muss
- es für sinnvoll erachtet wird, während des Staubsaugens alle Fenster und Türen zu öffnen, weil so der ganze Staub besser entfernt werden kann
- er sich, weil ich ihm gebeten hatte, auf einem wissenschaftlichen Kolloquium mit langen Hosen zu erscheinen, vor der Eingangstüre umzieht (nein, nicht aus Trotz, er fand das völlig normal)
- er in den seltsamsten Gangarten (Pferdegalopp, Entenwatscheln) durch die Wohnung UND den Supermarkt flaniert
- den ganzen Sommer über schon Weihnachtslieder singt, weil ihm sonst keine Lieder einfallen, das kleine Mädchen aber mit Singen zu beruhigen ist. AUCH in der Öffentlichkeit
- er vier Minuten bevor er aus dem Haus muss, um einen Zug zu erreichen, noch unter die Dusche geht
- er wörtlich keiner Fliege etwas zuleide tun kann. Die werden hier mit der Fliegenklatsche nur betäubt und dann rausgetragen
- er mit einem Kreuzzeichen sein Stück Fleisch auf dem Teller aussegnet, bevor er es isst (auch bei Wurst, auch bei Speckstückchen, auch beim Grillen mit Freunden, auch im Restaurant)
- alle gefundenen Bussardfedern bei uns an der Decke aufgehängt werden
- für eine zweistündige Radfahrt eine komplett gepackte Satteltasche (Regenzeug, Pullover, Keckse, Wasser) mitgenomen werden muss
- entsprechendes gilt mit Rucksack für einen Spaziergang
- auch wenn wir beim Nachbarn 200 m weiter im Garten sind
- er jedesmal vergisst den Rückweg miteinzuplanen, wenn er allein oder mit Kind und/oder mir Wandern oder Radfahren geht
- er sich vor dem Schlafengehen noch mit einem Buch und Tee vors Haus setzen muss. AUCH im Winter bei Minusgraden, Schneesturm, Starkregen, Heimkommen um 3 Uhr nachts
- in jedem Bach gebadet werden muss, egal wie wild, wie kalt er ist und immer ohne Badehose
- er von jeder Kirche der näheren und ferneren Umgebung die besondere Energie kennt und diese beschreibt, wenn von dem Ort die Rede ist
- beim Kochen grundsätzlich mindestens vier verschiedene Fettsorten verwendet werden müssen: verschiedene Öle, dann noch Butter und zum Schluss Sahne und/oder Creme fraiche und dann noch Käse drauf (immerhin können wir das jetzt trennen in meins ohne und seins mit)
- in sein Müsli Joghurt UND Kefir UND Milch UND Quark UND Sahne muss
- egal wie eilig oder weit es ist, immer der Weg mit mehr Sonne gewählt wird
- man Babies auch im Tragetuch mit dem Rad transportieren kann
- alles mit dem Löffel gegessen wird. Alles
- immer zu spät gekommen wird. Immer
- er keine Uhr trägt
- er keine Zeitung liest, Radio hört, Fernsehen guckt (gut!), im Internet surft. Nichts
- er seinen Wecker, der ein paarmal nicht geweckt hat, nicht aussortiert, sondern einen zweiten zur Unterstützung kauft
- hier mindestens zehn verschiedene Paar Gummistiefel herumstehen. Edit: Vierzehn. Wir müssen reden

Sonst ist aber eigentlich alles gut.

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Donnerstag, 29. August 2013
Sie arbeitet wieder
Als die Anfrage kam, habe ich nicht lange gezögert und zugesagt: Ein Vortrag in einem kleinen Kolloquium, zum Thema habe ich schon was Halbfertiges und große Lust, daran weiterzubasteln! Die letzten zwei Wochen war ich entweder allein mit Kind zu Hause, während der Radfahrer arbeitete oder er allein mit Kind, während ich in diverse Bibliotheken und sogar einmal kurz ins Archiv fuhr und arbeitete. Zurück kam ich immer gutgelaunt strahlend und entspannt. Kurz vor dem Termin wurde es dann doch noch hektisch, weil gerade nicht einfach mal ein langer Abend zur Fertigstellung des Vortrags genommen werden konnte. Dafür fuhr der Radfahrer am Vortag des Kolloquiums mit Kind und abgepumpter Milch auf eine längere Radtour los und ich wurde doch noch und mit einigen Abstrichen rechtzeitig fertig. Einer der Abstriche war, den Vortrag nochmal laut zu üben. Demenstsprechend holperig wurde er vorgetragen. Es ist gerade völlig okay für mich, nur 80 % Leistung zu bringen und trotzdem zufrieden mit mir zu sein.

Das Kolloquium selber war großartig! Als ich mit meinem Vortrag an die Reihe kam, war mein Beitrag in einigen Punkten längst überholt, dafür gings nach meinem Vortrag anderen genauso. Genau das verstehe ich unter einer fruchtbaren Tagung. Der Radfahrer und das kleine Mädchen waren einfach mitangereist. Die Vormittagsmahlzeit der Kleinen wurde wieder outgesourcst und ich habe sie dann während der Mittagspause beim gemeinsamen Essen im Restaurant gestillt. Davor hatte ich etwas Bammel, aber dann kam es mir doch ganz natürlich vor. Als sie auf meinem Schoß unruhig wurde, habe ich sie einfach an die Brust gelegt und mich weiter mit dem Historiker vor mir und dem Denkmalpfleger neben mir unterhalten. Ein wenig froh war ich dann aber doch, dass der Projektleiter meines Forschungsprojekts am Nebentisch saß...
Und der Radfahrer war auch glücklich, weil das kleine Mädchen an diesem Tag überwiegend gutgelaunt war, er ihr Fläschchen geben konnte, alle, einschließlich mir, ihn mit Kind im Tragetuch großartig fanden und er mich mal in Aktion erleben konnte.

Eine Erfahrung weiter: Ich als Wissenschaftlerin und Mutter in der Öffentlichkeit. Geht doch.

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Samstag, 24. August 2013
Die Entdeckung des Gesangs
Der Radfahrer kommt gegen Mitternacht erst von einer zweitages Radtour zurück. Verschwitzt, verdreckt und glücklich. Ich bin noch wach, mit dem schlafenden Kind auf dem Schoß hatte ich auf dem Sofa gelesen. Über das Begrüßen und Erzählen wird sie ebenfalls wach, ich wickel nochmal und höre weiter dem Radfahrer zu. Es ist schon gegen ein Uhr, das kleine Mädchen liegt, immernoch wach und still, halbvergessen auf dem Wickeltisch und beginnt plötzlich eine Art Gesang. Mit weit offenem Mund, ausgebreiteten Armen und nur mit A und E probiert sie ihre Stimme. Lauter und leiser, höher und tiefer. Einige Atemzüge ist sie wieder still, bewegt nur den Mund, schiebt die Zunge hin und her und holt wieder tief Luft, blickt nach oben in die Ferne und singt.

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Dienstag, 20. August 2013
Herzensbrecherin


Den Blick hat sie weder von mir noch vom verrückten Radfahrer.

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Sonntag, 18. August 2013
Anhänger
Ein Freund, der gerade bei sich ausmistet und uns deswegen regelmäßig Kindersachen von seinem Sohn vorbeibringt, stellte uns beim letzten Besuch ein gut erhaltenes Kinderfahrrad mit Helm in die Wohnung. Das kleine Mädchen ist gerade vier Monate alt und besitzt schon ein Rad mit Gangschaltung. Wir brauchen aber eher einen Anhänger und die Versuche des verrückten Radfahrers, beim Fahrradschrauber Anhänger probezufahren, scheiterten bisher jedesmal daran, dass er dann doch lieber kurzfristig etwas anderes machen wollte (er mag den Schauber nicht) und es geht ja auch ganz gut mit dem Kind im Tragetuch auf dem Rad...

Vorgestern war er wieder unterwegs. Abends klingelte eine Fahrradklingel nachhaltig auf der Straße. Wenns S. ist, soll er doch einfach reinkommen, dachte ich nur, und arbeitete weiter an meinem Vortrag. Irgendwann erschien er aufgeregt (ohne Kind!) an der Terrassentür und dann bin ich doch mal gucken gegangen: Das Mädchen lag friedlich schlafend in einem superteuren Chariot-Anhänger mit allem Zubehör. Der Radfahrer war zufällig einem alten Bekannten begegnet, der seinen Anhänger loswerden wollte und kurzentschlossen hatten die beiden das Geschäft gleich abgewickelt: 200 € hat der Bekannte dafür bekommen, obwohl er eigentlich nur 150 € wollte, neu hätte uns das alles weit über 1.000 € gekostet. Der Wagen ist gut erhalten, nur am Winterfußsack ist der Reißverschluss kaputt.

Am nächsten Tag machten wir selbstverständlich eine Radtour zu dritt, sowas muss gefeiert werden. Die Kleine schlief die meiste Zeit oder sah in die vorbeirauschende Gegegend, am liebsten aber zur Mama auf den Rad neben ihr. Alles gut. Nur auf dem Rückweg war dann erstmal nicht mehr alles gut. Der Radfahrer hatte mich kurz zuvor auf die gefährliche Stelle hingewiesen: Recht steile Abfahrt, auf halber Höhe muss man in eine kleine Straße links abbiegen. Er fuhr mit dem Anhänger vor mir, vorbildlich langsam und im großen Bogen in die Kurve. Es wäre nichts passiert, wenn nicht die Straße in der Kurve auch noch in die falsche Richtung abschüssig gewesen wäre, aber so kippte der Wagen in voller Fahrt vor meinen Augen um. Bis auf einen großen Schrecken bei allen dreien ist nichts passiert und kurzfristiges Stillen auf der Kupplung eines Pferdeanhängers hat dann wieder alle soweit beruhigt, dass wir weiterfahren konnten.

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Samstag, 10. August 2013
Seligkeit
Frühmorgens im Halbschlaf spüre ich, wie eine kleine Hand an meinem Nachthemd nestelt und ganz weich über meine Hand wandert. Ich blinzel, das kleine Mädchen neben mir hat die Augen noch geschlossen, atmet aber unruhig. Ich nehme die Minihand in meine, sie lächelt im Schlaf, seufzt tief und wir schlafen beide weiter.

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