Samstag, 3. Januar 2015
Weihnachten
Dieses Jahr hatte ich mit genügend Vorlauf durch den verrückten Radfahrer ausrichten lassen, dass ich mit dem kleinen Mädchen Heiligabend bei meinen Eltern sein möchte. Letztes Jahr waren wir alle drei bei Schwägerin und Schwiegermutter mit laufendem Fernseher und, nach meinem Intervenieren, dann Radio mit verpoppten Weihanchtsliedern. Ich will das so nicht und bei meinem Eltern gibt es bildungsbürgliches Kinderweihnachten: Glöckchen, echte Kerzen am Baum, Erzgebirge-Pyramide, die Weihnachtgeschichte vorgelesen von meinem Vater, jede Menge Weihnachstlieder, festliche Kleidung und feierliche Stimmung. In den Tagen darauf sogar Darbietungen mit Trompete, Klavier und Cello. Eine ungebrochene Tradition, weil immer Kinder da waren. Denn als meine nachzüglerische jüngste Schwester erwachsen wurde, gab es bereits die ersten Enkel und meine alleinerziehende (andere) Schwester ist sowieso mit ihrem Jungen immer da.
Das kleine Mädchen hat sich erst etwas gefürchtet, als wir uns in (fast) absoluter Dunkelheit, nachdem das Glöckchen das dritte Mal erklungen war, zum Weihnachstzimmer tasteten. Das gehört dazu. Wie auch das Bewundern des Baumes. Sie saß die erste Zeit noch etwas verschüchtert auf meinem Schoß, musste mich dann aber schon während 'Es ist ein Ros entsprungen' an der Hand zu allen Kerzen, die im Raum aufgestellt waren, ziehen. Große Freude.
Mit dieser Freude konnte ich dann auch der Gans meiner Schwiegermutter am nächsten Tag entgegentreten. Weil wir ja nur so kurz da sind, gab es die Gänsekleinsuppe (die Fettschicht betrug bestimmt 1 cm Höhe) als Vorsuppe, dann zuviel Gans und anschließend zuviele Geschenke. Ich könnte nicht mal mehr auflisten, was allein ich alles von ihr bekommen habe; das meiste liegt schon wohlverwahrt im Müll. Sie schenkt uns alles, was ihr an Werbegeschenken in Apotheken und Sonderangeboten bei Kik in die Finger kommt. Aufs Alter, immerhin schon 80, kann man das nicht schieben, da sie wohl schon immer Ramsch im großen Umfang verteilte. Geduldig sein und Nerven schonen für den dritten Akt, wieder bei meinen Eltern:
Am zweiten Weihnachsttag folgte dann der große Aufmarsch bei meiner Familie: 24 Personen, davon 11 zwischen 6 Monaten und 16 Jahren. Wir schaffen es nun nicht mehr alle an der langen und noch länger ausziehbaren Tafel Platz zu finden. Ein bewährtes System muss sich erst noch etablieren oder vielleicht auch nicht. Aber die Kinder früher Essen zu lassen funktionierte genauso wenig wie Büffet. Immerhin ist dieses Jahr meine Mutter nicht durchgedreht, es gab keine größeren Heulanfälle bei den Kleinen (und ebenso keine bei den Großen, wie sonst oft), meine alleinerziehende Schwester hat nur wenig gezickt, es gab so gut wie keinen (!) Streit. Nur für kurze Zeit wurde mein Schwager Nr. 4 anstrengend, der als reiner Schulmediziner-Kinderarzt in einer teilweise Impfgegner- und naturheilverfahrenanhängenden Familie sich oft ärgern muss, dann beließen es aber beide Seite mit Kopfschütteln und Achselzucken.

... link (9 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 11. Dezember 2014
Wärme
Vor der großen Besprechung ist immer eine gewissen Anspannung zu spüren, da der Ausgang nie ganz gewiss ist und wir alle Angst vor erneuten Streitigkeiten haben. Der Projektleiter ist schon da, er ist immer als erstes da. Ich komme gutgelaunt und voller Energie dazu und verkünde im Hereinkommen und Begrüßen, dass ich soeben von der Krankmeldung eines Mitarbeiters erfahren habe. In Eile und Schwung verwechsle ich den Namen des Mitarbeiters mit dem des Projektleiters. Als er daraufhin seine Gesundheit bekundet, entschuldige ich mich lachend, wobei ich ihm kurz eine Hand auf den Arm lege. Diese Geste war absolut spontan und für mich und meine Zurückhaltung in diesen Dingen ungewöhnlich.

Heute, vier Tage später, Nachbesprechung im kleinen Kreis. Der Projektleiter geht anders mit mir um. Wärmer, persönlicher, schaut mich länger an, scheint vertrauter. Ich denke nicht, dass er in meiner Geste eine Anmache vermutete, ich denke, dass sie einfach ein Herz geöffnet haben.

Öfter mal spontan und herzlich sein.

... link (2 Kommentare)   ... comment


Dienstag, 18. November 2014
Sankt Maatin, Sahankt Maaaahtin...
Erster Martinszug mit allen Kindern der Tagesmutter und der Nebentagesmutter. Acht Kleinkinder, ca. 3 ältere Geschwisterkinder, nicht ganz 16 Eltern und zwei Tagesmütter. Die Laternen waren sehr hübsch gebastelt. Wir wurden dafür eines Abends von den Tagesmüttern einbestellt. Erst war für den verrückten Radfahre klar, dass ich das mal machen solle, dann fühlte er sich dieser neuen Herausforderung doch gewachsen und zog mit Bastelschere und Kleber los.

Jetzt also das große Ereignis. Alle aufgeregt. Das kleine Mädchen, die Jüngste in der Gruppe, zog mich eifrig hinter sich den Berg hoch. Sie kannte den Weg, dorthin geht es oft zu den Eseln. Wir waren also längst vor den anderen oben. Schöner Blick über die Stadt und die kleinen bunter Lichter, die durch das Gebüsch hin und herschwenkten. Keine Laterne ging in Flammen auf, obwohl nur echte Kerzen verwendet wurden. Geht doch. Ich hatte deswegen schon wilde Diskussionen mit anderen Müttern (Väter scheinen das Thema entspannter zu sehen).
Wieder zurück brannte bereits ein Feuer in einer großen Schale und wir drängten uns alle auf die Kisten und Bänke drumherum. Selbstgebackene Zimtschnecken und Kinderpunsch und noch ein paar Lieder, bis die Kleinen aus Müdigkeit zu zappeln und quengeln begannen.
Seitdem müssen wir jeden Abend die Laterne anzünden und das kleine Mädchen fordert Martinslieder ein.

... link (14 Kommentare)   ... comment


Montag, 10. November 2014
Filzpilze
Wofür hat man eigentlich eine Institutssekretärin? Unsere ist gut im Stricken und Filzpilze (ich konnte ihr nur mühsam ausreden, diese zum Dekorieren der Stehtische beim Empfang zu verwenden: KEINE FILZPILZE AUF AKADEMISCHEN TAGUNGEN!) kann sie auch. Sie ist überfordert, wenn sie eine Tagung organisieren muss (sie ist auch mit allem anderen überfordert) und mit ihr ist die gesamte Abteilung überfordert, weil sie dann jeden kleinsten Schritt mit ALLEN besprechen muss und ALLE über jeden Fortschritt/Mißerfolg, über jede Anmeldung und Abmeldung usw. informiert. Zeitnah versteht sich. Je näher die Tagung rückt, desto hektischer und lauter wird sie. Achja, Tagungsorganisation gehört zu ihren Hauptaufgaben.

... link (19 Kommentare)   ... comment


Dienstag, 4. November 2014
Christian
In den letzten Tagen denke ich immer mal wieder an dich. Heute Abend dann in ganzer Intensität. Ich trauere um dich, das habe ich jetzt 15 Jahre nicht mehr getan.. Ich wußte garnicht, das da noch Trauer in mir ist, die dich betrifft. Ich wusste immer, und so geht es mir auch heute noch, dass ich dich unbedingt um Verzeihung bitten möchte. Für damals, diese schlimmen Tage für uns, als ich nicht anders konnte. Ich konnte wirklich nicht mehr, als ich dich dieses dritte mal verlassen musste - das erstmal für dich, weil du ja nicht wusstest, dass der Auszug aus unserer gemeinsamen WG eine Flucht war, wie auch mein Weggang nach Italien, als wir schon zusammen waren. Dann, die wenigen Monate später, waren eigentlich nur noch die Konsequenz und die konnte ich nicht anders durchziehen. Wie hätte ich auch in unserer lähmenden Sprachlosigkeit dir erklären können, was los war? Ich wusste es doch selber nicht und habe mich verdammt, weil ich nicht den Mut hatte, mehr einzufordern und, viel wichtiger, mehr zu geben.
Einen Abend Trauer. Dann ist wieder gut.

... link (3 Kommentare)   ... comment


Samstag, 1. November 2014
Search request: wie viele maedchen tragen den Vornamen berenike
Wir können ja mal durchzählen.

Eins.

... link (3 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 30. Oktober 2014
Zweimal Hand
Das kleine Mädchen musste das Hinterherziehentchen aus Holz unbedingt auf der Straße ausprobieren. Dort ist nämlich eine Pfütze und Enten (und kleine Kinder) wollen doch zum Wasser. Schon dämmrig und mit nahendem Auto in Sicht sprintete ich also hinterher, schätzte das regennasse Kopfsteinplaster und die glatten Sohlen meiner Stiefel falsch ein und brachte mit diesem Stunt immerhin das Auto sofort zum Stehen. Leichte Prellungen an Kopf, Steiß und Ellenbogen, stärkere an der rechten Hand. Zwei Tage später stoppte ich genau mit dieser Hand einen ansonsten harmlosen Radsturz (das Rad des Anhängers hatte sich verfangen). Jetzt sehe ich wieder aus, als ob ich auf Türrahmen einschlagen müsste, dabei bin ich doch so ausgeglichen geworden.

... link (4 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 9. Oktober 2014
Erzählung
Das kleine Mädchen kann zwar nur Ein-Wort-Sätze, aber trotzdem schon komplexe Erzählungen. Als ich nach Hause komme, rennt sie mir entgegen, ruft aufgeregt "Wasser, Wasser!", greift sich an den Kopf und trampelt auf den Boden.
Erraten Sie, was sie schönes erlebt hat?

... link (5 Kommentare)   ... comment


Montag, 6. Oktober 2014
Finnin
Die alte Finnin kommt als Bittstellerin und ich bleibe kurz angebunden, lächel kaum und sage die ganze Zeit in Gedanken zu ihr "Bitte geh wieder, geh jetzt!" Mit Mühe und Not und viel gutem Willen seitens der Betreuung hat sie damals vor vielen Jahren ihren Magister gemacht. Seitdem trägt sie sich mit den Gedanken, vielleicht doch noch zu promovieren, möchte mit mir bei jeder Gelegenheit darüber reden und versucht, ein Hilfsversprechen einzuheimsen. Es liegt nicht nur an der Sprache, es liegt an ganz anderen mangelnden Fähigkeiten. Aber sag das mal jemanden. Nun hat sie einen Aufsatz geschrieben und zunächst vertrauensvoll ihrem Magisterbetreuer vorgelegt, meinem Forschungsprojektleiter, der sie einfach an mich weiterverweisen hat. Die ersten vier Versionen habe ich ohne Korrekturen zurück geschickt, weil das einfach kein Text war. Oder meistens hatte ich es auch nur vor, dann fehlten mir die richtigen Worte und es blieb liegen, bis wir uns wieder über den Weg liefen. Ich sagte ihr mal, dass sie sich jemanden zum Überarbeiten suchen müsse, mal, dass noch Einleitung und andere Basics fehlten, immer mit der feigen Hoffnung verbunden, die Sache würde sich irgendwann ohne mein Zutun von selbst erledigen. Sie nickt jedesmal ergeben und unterwürfig, wird noch kleiner und grauer und tut mir dann umso mehr leid. Klar ist, auch wenn ich den Text sprachlich und stilistisch zurechtrücke, wird er niemals irgendwo angenommen werden. Sie wird auf diese Weise ihre prekäre finanzielle Situation nicht ändern können und eigentlich halte ich ihre Hoffnungen nur weiter in der Schwebe.

Ich finde, es wäre Sache ihres ehemaligen Betreuers gewesen, ihr diesen Zahn sofort zu ziehen, anstatt sie an eine weitere Expertin zu verweisen.

... link (4 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 1. Oktober 2014
Magendarmdings
Gegen 23 Uhr will ich ins Bett. Das kleine Mädchen liegt dort schon lange friedlich schlafen, rührt sich etwas, ich murmel Beruhigendes und streichel übers Köpfchen. Kind kotzt. Der verrückte Radfahrer wird zum Bettneubeziehen gerufen, ich wechsel zweimal Schlafsäcke und wir legen uns wieder hin. Gegen halb eins rufe ich meine Mutter an, unerschöpfliche Ratgeberin in allen Kinderkrankheitsfragen, sie hat das ja siebenmal durch, sie sagt: sofort Notaufnahme, nachdem ich hier die Lage geschildert habe. Ich verwerfe das und schaffe es weiterhin ca. alle 15 Minuten rechtzeitig das Licht anzumachen und das Köpfchen über eine Schüssel zu halten. Der Radfahrer leert sie und ich flöße weiterhin, wie geheißen, Zuckerwasser und Salz ein. Teelöffelweise. Um 2 Uhr gebe ich die Parole aus, dass wir um 3 Uhr den Kinderarzt anrufen, eine halbe Stunde später schlafen wir alle endgültig ein und bis 8 Uhr durch. Am nächsten Morgen wird nur noch das Morgenstillen ausgespuck und nachmittags nochmal der Versuch, ein wenig zu essen (die Kleine wollte Rosinen). Paralell liefs auch unten raus. Soweit alles gut und die Waschmaschine hat auch ihren Beitrag geleistet. Danach kam ich dran, jetzt der Radfahrer.

Aber lustig war, wie das kleine Mädchen immer kurz überlegend den Kopf übers Schüsselchen hielt, wenn ich sie fragte, ob sie spucken müsste, und dann kurz und ernsthaft den Kopf schüttelte. Und auch, als ich dann über der Kloschüssel hing, während sie mit Bilderbüchern im Wohnzimmer saß, ungerührt meine Geräusche nachahmte.

... link (19 Kommentare)   ... comment