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Freitag, 30. Oktober 2015
Auto, Bus, Taxi, Feuerwehrauto, Bus, Fahrrad (schiebend), Bus, Auto
berenike, 10:44h
Das und in dieser Reihenfolge waren meine Verkehrsmittel gestern, ab Taxi mit dem kleinen Mädchen zusammen.
Morgends, noch allein, das kleine Mädchen hatte bei ihrem Papa übernachtet, den letzten Winterreifen aus dem Keller die 77 Treppenstufen hoch ins Autochen verfrachtet. Damit zur Werkstatt, von dort mit dem Bus ins Institut. Meine derzeitige Dauermigräne drohte mit Verschlimmerung, also bald wieder mit dem Bus nach Hause. Der Plan war, mittags mit dem Rad samt Anhänger das kleine Mädchen von der Tagesmutter abzuholen. Der Plan ging nicht auf, weil der Vorderreifen platt war, das wurde natürlich erst bei der Abfahrt bemerkt. Nachricht an die Tagesmutter, komme umbestimmt später (sehr sehr schlechte Busverbindung, mindestens einmal umsteigen, Berg rauflaufen), Antwort zurück, dass sie ausgerechnet heute pünktlich los müsse. Also Taxi. Und damit gleich wieder zurück ins Zentrum. Mit der ehemaligen Feuerwehrsfrau zum Mittagessen verabredet, weil sie gerade meine Stadt verlässt, nach dem Essen nahm sie uns noch mit zur Feuerwache, um dort einiges zu regeln. Das kleine Mädchen war im Paradies: Alles voll der tollen Feuerwehrautos und wir durften sogar rein! Helm und Jacke mal anziehen. Nur unter lautem Protest konnten wir wieder gehen. Bus nach Hause, dort das kleine Mädchen schonmal in den Radanhänger gesetzt und mit Notgummibärchen ruhig gestellt. 72 Treppenstufen (nicht eingerechnet der 3. Stock des Hauses...) rauf, um den Radwinterreifen (kommt halt jetzt schon drauf) zu holen, erstmal etwas trinken und zur Toillette, wieder runter und nochmal rauf, um den Reifen auch tatsächlich mitzunehmen und gleich die warme Jacke dort zu lassen. Dann das platte Rad mit dem Anhänger schieben. Nach ca. eineinhalb Stunden Ankunft in der Werkstatt, unterwegs musste das kleine Mädchen aber auch noch über ein paar Mäuerchen balancieren und beim Asialaden den Winkekatzen (allen!) zurückwinken. Dann Bus zur Autowerkstatt inklusive längeren Fußmarsch, den das kleine Mädchen größtenteils auf meinen Schultern zurücklegte. Von dort Blätter von den Bäumen pflücken und mir ins Haar stecken. Egal, allein, durchs mehrmalige Auf- und Absetzen des Kindes auf die Schultern ruiniert man sich die Frisur nachhaltig. Beim Automechaniker die viel zu günstige Rechnung durch großzügiges Trinkgeld aufgestockt (das ist vielleicht sein Geschäftsmodell) und mit dem alten Wagen wieder nach Hause gefahren.
Der nikotingetränkte zauselige Frührentner, der sich noch die Wohnung anschauen wollte, kam dann einfach zu einem falschen Zeitpunkt für ausgefeilte Diplomatie.
Morgends, noch allein, das kleine Mädchen hatte bei ihrem Papa übernachtet, den letzten Winterreifen aus dem Keller die 77 Treppenstufen hoch ins Autochen verfrachtet. Damit zur Werkstatt, von dort mit dem Bus ins Institut. Meine derzeitige Dauermigräne drohte mit Verschlimmerung, also bald wieder mit dem Bus nach Hause. Der Plan war, mittags mit dem Rad samt Anhänger das kleine Mädchen von der Tagesmutter abzuholen. Der Plan ging nicht auf, weil der Vorderreifen platt war, das wurde natürlich erst bei der Abfahrt bemerkt. Nachricht an die Tagesmutter, komme umbestimmt später (sehr sehr schlechte Busverbindung, mindestens einmal umsteigen, Berg rauflaufen), Antwort zurück, dass sie ausgerechnet heute pünktlich los müsse. Also Taxi. Und damit gleich wieder zurück ins Zentrum. Mit der ehemaligen Feuerwehrsfrau zum Mittagessen verabredet, weil sie gerade meine Stadt verlässt, nach dem Essen nahm sie uns noch mit zur Feuerwache, um dort einiges zu regeln. Das kleine Mädchen war im Paradies: Alles voll der tollen Feuerwehrautos und wir durften sogar rein! Helm und Jacke mal anziehen. Nur unter lautem Protest konnten wir wieder gehen. Bus nach Hause, dort das kleine Mädchen schonmal in den Radanhänger gesetzt und mit Notgummibärchen ruhig gestellt. 72 Treppenstufen (nicht eingerechnet der 3. Stock des Hauses...) rauf, um den Radwinterreifen (kommt halt jetzt schon drauf) zu holen, erstmal etwas trinken und zur Toillette, wieder runter und nochmal rauf, um den Reifen auch tatsächlich mitzunehmen und gleich die warme Jacke dort zu lassen. Dann das platte Rad mit dem Anhänger schieben. Nach ca. eineinhalb Stunden Ankunft in der Werkstatt, unterwegs musste das kleine Mädchen aber auch noch über ein paar Mäuerchen balancieren und beim Asialaden den Winkekatzen (allen!) zurückwinken. Dann Bus zur Autowerkstatt inklusive längeren Fußmarsch, den das kleine Mädchen größtenteils auf meinen Schultern zurücklegte. Von dort Blätter von den Bäumen pflücken und mir ins Haar stecken. Egal, allein, durchs mehrmalige Auf- und Absetzen des Kindes auf die Schultern ruiniert man sich die Frisur nachhaltig. Beim Automechaniker die viel zu günstige Rechnung durch großzügiges Trinkgeld aufgestockt (das ist vielleicht sein Geschäftsmodell) und mit dem alten Wagen wieder nach Hause gefahren.
Der nikotingetränkte zauselige Frührentner, der sich noch die Wohnung anschauen wollte, kam dann einfach zu einem falschen Zeitpunkt für ausgefeilte Diplomatie.
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Montag, 19. Oktober 2015
Antrag
berenike, 18:40h
Den ganzen Tag über trudeln Emails ein mit neuen Versionen, Verbesserungsvorschlägen, mit "schon ganz gut so" und "so geht das aber nicht!" Ich mache aus den Vorschlägen wieder runde Sachen, schreibe gleich ganz neu, versende wieder alles an alle oder einzelne. Dazwischen den verdatterten frisch gebackenen Gutachter Material über unser Forschungsprojekt zukommen lassen. Der Arme war der erste, der erreicht wurde und muss uns nun innerhalb von 24 Stunden eine Empfehlung schreiben. Er versuchts, sagt er.
Der Verleger, noch ganz wirr im Kopf von der Buchmesse, erzählt mir erstmal am Telefon stundenlang, wie er das berechnet und sichert mir dann auch seine Schnelligkeit zu.
Das Inhaltsverzeichnis habe ich schnell frisiert. Ich denke mir einfach aus, was die Autoren so als Titel haben könnten. Man kennt ja die einschlägigen Forschungsgebiete und Präferenzen.
Wie es zu diesem Dilemma kommen konnte, war vermutlich meine Schuld, aber ich versuche mich mit Rechtfertigungsbemühungen zurückzuhalten. Muss ja niemand wissen, dass ich es im Sommer einfach vergessen hatte, bei der Stiftung die Termine zu erfragen, bis wann ein Antrag eingereicht werden sollte. Muss ja niemand wissen, dass ich über den überstürzten Auszug beim verrückten Radfahrer, meiner Wohnsituation in einer quasi unmöblierten Wohnung ohne Warmwasser, aber mit Kleinkind, und meiner derzeitigen beruflichen Verwirrung so manch Wichtiges vergessen oder falsch verstanden habe.
Als ich dann endlich anrief, hieß es, die Unterlagen hätten innerhalb weniger Tage vorzuliegen. Seitdem rotieren wir und ich habe Spaß dran!
Der Verleger, noch ganz wirr im Kopf von der Buchmesse, erzählt mir erstmal am Telefon stundenlang, wie er das berechnet und sichert mir dann auch seine Schnelligkeit zu.
Das Inhaltsverzeichnis habe ich schnell frisiert. Ich denke mir einfach aus, was die Autoren so als Titel haben könnten. Man kennt ja die einschlägigen Forschungsgebiete und Präferenzen.
Wie es zu diesem Dilemma kommen konnte, war vermutlich meine Schuld, aber ich versuche mich mit Rechtfertigungsbemühungen zurückzuhalten. Muss ja niemand wissen, dass ich es im Sommer einfach vergessen hatte, bei der Stiftung die Termine zu erfragen, bis wann ein Antrag eingereicht werden sollte. Muss ja niemand wissen, dass ich über den überstürzten Auszug beim verrückten Radfahrer, meiner Wohnsituation in einer quasi unmöblierten Wohnung ohne Warmwasser, aber mit Kleinkind, und meiner derzeitigen beruflichen Verwirrung so manch Wichtiges vergessen oder falsch verstanden habe.
Als ich dann endlich anrief, hieß es, die Unterlagen hätten innerhalb weniger Tage vorzuliegen. Seitdem rotieren wir und ich habe Spaß dran!
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Samstag, 10. Oktober 2015
Ein guten Tag
berenike, 13:05h
Dass das Kirchenasyl irgendwann einfach ohne Aufhebens und weiterer Schreiben und Anwaltbemühungen von uns aufgehoben werden konnte, war schon seit einigen Wochen angesichts der veränderten Lage klar. Unser Somalier traute sich aber dann doch erst das Haus zu verlassen, als die offizielle Bestätigung kam. Gestern wurde ihm von der Ausländerbehörde die Aufenthaltsgestattung ausgestellt. Der Pfarrer berichtet, wie er anschließend vor dem Amt gejubelt hat und gerufen: "ein guten, Tag ein guten Tag!!"
Nächste Woche der Umzug in die neue Wohnung, die wir für ihn gefunden haben. Er wird, das war Bedingung, dort mit einem deutschsprachigen Studenten zusammen leben. Und dann kann endlich mit einem regulären Deutschunterricht begonnen werden.
Und die alte Wohnung von ihm? Wir versuchen sie winterfest zu machen und in ihr eine ganzen Familie unterzubringen. Ich habe derweil eine bessere für mich gefunden und hoffe, sie bald beziehen zu können. In meiner Interimslösung fühlen das kleine Mädchen und ich uns zwar sehr wohl, aber ein richtiges Bad und Küche wären auch mal wieder ganz schön, ganz abgesehen von fließend warmen Wasser!
Nächste Woche der Umzug in die neue Wohnung, die wir für ihn gefunden haben. Er wird, das war Bedingung, dort mit einem deutschsprachigen Studenten zusammen leben. Und dann kann endlich mit einem regulären Deutschunterricht begonnen werden.
Und die alte Wohnung von ihm? Wir versuchen sie winterfest zu machen und in ihr eine ganzen Familie unterzubringen. Ich habe derweil eine bessere für mich gefunden und hoffe, sie bald beziehen zu können. In meiner Interimslösung fühlen das kleine Mädchen und ich uns zwar sehr wohl, aber ein richtiges Bad und Küche wären auch mal wieder ganz schön, ganz abgesehen von fließend warmen Wasser!
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Samstag, 22. August 2015
Zweimal Urlaub
berenike, 01:05h
Dieses Jahr verbringe ich zweimal Urlaub mit je einer Schwester. Die eine hat einen Wohnwagen an der Ostsee und schon im letzten Jahr fand ich, dass Ulraub mit Kleinkind auf einem Campingplatz direkt am Meer sehr erholsam sein kann. Und das obwohl diese Schwester und ich einen eher unentspanteren Umgang miteinander pflegen. Letztes Jahr lief bis auf einen kleineren Streit ganz prima, dieses Jahr fuhr ich deswegen völlig arglos und voller Vorfreude hin.
Nein, wir gingen uns nicht wegen der räumlichen Enge auf die Nerven, zumindest sie mir nicht, irgendwas wird allerdings für sie im Hintergrund gelegen haben. Schlechte Laune und schlechtes Wetter und dann wollte noch der elfjährige Sohn meiner Schwester nicht so wie sie, während ich mit dem kleinen Mädchen zum Eisessen aufbrach, wo sie dann doch gerne mitgekommen wäre, aber vorher zu lange mit dem Buch vor der Nase getrödelt und nun anderes Dringendes und Unlustiges vorhatte, und auf einmal wurde ich als Arschloch beschimpft. Am nächsten Morgen ging sie ganz normal zur Tagesordnung über. Ich ging erstmal mit meiner Kleinen in einem Café frühstücken und erklärte ihr anschließend, dass ich keine Entschuldigung von ihr einfordern, sie aber für mich gerade gut brauchen könnte. Das fand sie lächerlich und setzte noch manches Unschöne obendrauf und ich fand, weil an der Küste alles ausgebucht war, auf einmal Lübeck ganz reizvoll. Zur Abfahrt hat sie dann nochmal ordentlich nachgeliefert, das muss man schriftlich nicht wiederholen.
Lübeck mit Kleinkind war dann wunderbar. Das Hotel samt Personal und anderen Gästen entzückend und die schönen Kirchen dort waren auch für das kleine Mädchen spannend: Pferde auf Bildern, Kirchengestühl zum Klettern und Kreise um Altäre rennen.
Der andere Urlaub bei meiner in Liverpool wohnenden Schwester. Die kleinste von uns und die reifste, kann man manchmal meinen. Entspannte Tage mit Besichtigungen, Shopping, viel Tee, Siedlerspielen und guten Gesprächen. Damit aus Urlaub auch wirklich Urlaub wird, in Zukunft zusammen mit Familienmitgliedern, die sich auch benehmen können.
Nein, wir gingen uns nicht wegen der räumlichen Enge auf die Nerven, zumindest sie mir nicht, irgendwas wird allerdings für sie im Hintergrund gelegen haben. Schlechte Laune und schlechtes Wetter und dann wollte noch der elfjährige Sohn meiner Schwester nicht so wie sie, während ich mit dem kleinen Mädchen zum Eisessen aufbrach, wo sie dann doch gerne mitgekommen wäre, aber vorher zu lange mit dem Buch vor der Nase getrödelt und nun anderes Dringendes und Unlustiges vorhatte, und auf einmal wurde ich als Arschloch beschimpft. Am nächsten Morgen ging sie ganz normal zur Tagesordnung über. Ich ging erstmal mit meiner Kleinen in einem Café frühstücken und erklärte ihr anschließend, dass ich keine Entschuldigung von ihr einfordern, sie aber für mich gerade gut brauchen könnte. Das fand sie lächerlich und setzte noch manches Unschöne obendrauf und ich fand, weil an der Küste alles ausgebucht war, auf einmal Lübeck ganz reizvoll. Zur Abfahrt hat sie dann nochmal ordentlich nachgeliefert, das muss man schriftlich nicht wiederholen.
Lübeck mit Kleinkind war dann wunderbar. Das Hotel samt Personal und anderen Gästen entzückend und die schönen Kirchen dort waren auch für das kleine Mädchen spannend: Pferde auf Bildern, Kirchengestühl zum Klettern und Kreise um Altäre rennen.
Der andere Urlaub bei meiner in Liverpool wohnenden Schwester. Die kleinste von uns und die reifste, kann man manchmal meinen. Entspannte Tage mit Besichtigungen, Shopping, viel Tee, Siedlerspielen und guten Gesprächen. Damit aus Urlaub auch wirklich Urlaub wird, in Zukunft zusammen mit Familienmitgliedern, die sich auch benehmen können.
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Donnerstag, 30. Juli 2015
Wohnungssuche
berenike, 12:12h
Wir treffen uns wieder bei unserem Flüchtling. Er ist wie immer sehr aufgeräumt und freut sich sichtlich über die vielen Gäste. Das Begrüßen funktioniert mittlerweile schon viel besser, unsere Bemühungen, ihm ohne jegliche andere Sprachkenntnisse deutsch beizubringen, kommen langsam und mühsam, aber kommen voran.
Ich habe kurz Zeit mich mit dem Pfarrer in der Küche zu unterhalten. Er findet die Idee, dass ich diese phantastische Wohnung nach Ende des Kirchenasyls, und wenn wir eine passende Bleibe für den Flüchtling gefunden haben, übernehmen darf, auch immer besser. Er weiß mittlerweile auch von der Trennung, dass ich auf Wohnungssuche bin sowieso, denn ich hatte ihn sofort nach meinem Entschluss darüber informiert. In dieser Stadt sucht man am besten, indem man allen Bekannten erzählt, dass und was man sucht, nur so hat mein eine Chance etwas halbwegs bezahlbares zu finden. Und Pfarrer eignen sich hervorragend als Hobbyimmobilienmakler. Er will sich nun für mich einsetzen, seitdem bin ich völlig aus dem Häuschen, auch, weil ich zum ersten Mal das Bad - allein das wäre ein Einzugsgrund! - gesehen habe.
Während der Besprechung überlege ich schonmal, wie ich die Wohnung einrichten könnte. Ich würde sie nicht langfristig bekommen, aber das ist mir egal. Mein nächster Arbeitsvertrag wird mich wahrscheinlich sowieso in eine andere Stadt führen und solange möchte ich mit dem kleinen Mädchen hier wohnen: meterdickes mittelalterliches Mauerwerk, trotzdem recht hell durch die vielen Fenster mit altmodischen doppelten Fensterflügeln, Balken an den Decken, einige Wände steinsichtig mit vermauerten Bögen drin und viel Platz!
Ich versuche, mich nicht zu auffällig umzuschauen, wir haben aber auch Wichtiges zu klären. Wegen der Schul- und Semesterferien sind kaum Leute da und wir schaffen keinen zweimaligen Besuch mehr am Tag, sondern nur noch einen. Dann müssen wir für ein neues Gutachten nach Gründen suchen, warum ein Aufenthalt in Deutschland unserer Meinung nach unabdingbar ist und warum wir überhaupt das Kirchenasyl gewährt haben. Während wir alles zusammentragen und der Übersetzer, der nur selten mit dabei sein kann, alles in dieser seltsam klingenden Sprache leise weitergibt, wird deutlich sichtbar, wie sehr wir diesen sanften Menschen ins Herz geschlossen haben. Die Psychologin macht uns, selbst verwundert, darauf aufmerksam, dass - trotz Folter, Vertreibung und Mord einiger Familienmitglieder - von ihm kein Hass ausgeht. Irgendwie brauchen wir das aber auch, oder es macht uns diese Betreuung einfach leichter, in ihm einen ganz besonderen Menschen sehen zu dürfen.
Ich habe kurz Zeit mich mit dem Pfarrer in der Küche zu unterhalten. Er findet die Idee, dass ich diese phantastische Wohnung nach Ende des Kirchenasyls, und wenn wir eine passende Bleibe für den Flüchtling gefunden haben, übernehmen darf, auch immer besser. Er weiß mittlerweile auch von der Trennung, dass ich auf Wohnungssuche bin sowieso, denn ich hatte ihn sofort nach meinem Entschluss darüber informiert. In dieser Stadt sucht man am besten, indem man allen Bekannten erzählt, dass und was man sucht, nur so hat mein eine Chance etwas halbwegs bezahlbares zu finden. Und Pfarrer eignen sich hervorragend als Hobbyimmobilienmakler. Er will sich nun für mich einsetzen, seitdem bin ich völlig aus dem Häuschen, auch, weil ich zum ersten Mal das Bad - allein das wäre ein Einzugsgrund! - gesehen habe.
Während der Besprechung überlege ich schonmal, wie ich die Wohnung einrichten könnte. Ich würde sie nicht langfristig bekommen, aber das ist mir egal. Mein nächster Arbeitsvertrag wird mich wahrscheinlich sowieso in eine andere Stadt führen und solange möchte ich mit dem kleinen Mädchen hier wohnen: meterdickes mittelalterliches Mauerwerk, trotzdem recht hell durch die vielen Fenster mit altmodischen doppelten Fensterflügeln, Balken an den Decken, einige Wände steinsichtig mit vermauerten Bögen drin und viel Platz!
Ich versuche, mich nicht zu auffällig umzuschauen, wir haben aber auch Wichtiges zu klären. Wegen der Schul- und Semesterferien sind kaum Leute da und wir schaffen keinen zweimaligen Besuch mehr am Tag, sondern nur noch einen. Dann müssen wir für ein neues Gutachten nach Gründen suchen, warum ein Aufenthalt in Deutschland unserer Meinung nach unabdingbar ist und warum wir überhaupt das Kirchenasyl gewährt haben. Während wir alles zusammentragen und der Übersetzer, der nur selten mit dabei sein kann, alles in dieser seltsam klingenden Sprache leise weitergibt, wird deutlich sichtbar, wie sehr wir diesen sanften Menschen ins Herz geschlossen haben. Die Psychologin macht uns, selbst verwundert, darauf aufmerksam, dass - trotz Folter, Vertreibung und Mord einiger Familienmitglieder - von ihm kein Hass ausgeht. Irgendwie brauchen wir das aber auch, oder es macht uns diese Betreuung einfach leichter, in ihm einen ganz besonderen Menschen sehen zu dürfen.
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Freitag, 17. Juli 2015
Frühstück
berenike, 16:31h
Mein kleines Mädchen ist in den letzten Tagen richtig verschmust geworden. Gegen viel Körperkontakt hatte sie noch nie etwas einzuwenden (außer wenn Fremde sie sofort anfassen wollen), aber nun geht es oft und sehr erfinderisch von ihr aus. Heute Morgen wurde eine neue Frühstücksart eingeführt. Wie fast immer aßen wir süßen Hirsebrei mit viel Obst. Irgendwann wollte sie von ihrem Stühlchen zu mir auf den Schoß rüberklettern, dann klatterte sie weiter hinter mich und stand auf dem Stuhl, legte ihre kleinen Ärmchen um meinen Hals, schaukelte mich etwas hin und her und ließ sich abwechselnd mal über die eine und andere Schulter füttern. Das alles mit viel Kichern und "hier lang!" Rufen, damit ich ihr den Löffel nicht "aus Versehen" über die falsche Schulter reiche.
Mit so einem verspielt verschmusten Mädchen kann man auch eine ganze Hochzeitsgesellschaft rühren. Das Brautpaar vor dem Altar hätte es auch alleine geschafft, aber bei Hochzeiten darf ruhig gerne mal dick aufgetragen werden. Dazu sehe man seine niedliches Töchterchen erstmal vier Tage nicht, weil sie mit ihrem Papa und seiner Neuen (grummel) solange an den See verreist war und lasse sie sich kurz vor der Trauung direkt zu Kirche liefern. Die erste Zeit saß sie nur still auf meinen Schoß, beide Arme um meinen Hals geschlungen und hielt mich ganz fest. Dann löste sie sich immer mal wieder, strahlte mich herzergreifend an, legte ihre Stirn an meine und wir rieben die Nasen aneinander, um sich dann wieder fest in meine Arme zu werfen. Um mich herum seufzte es immer wieder, was für ein niedliches Kind!
Mit so einem verspielt verschmusten Mädchen kann man auch eine ganze Hochzeitsgesellschaft rühren. Das Brautpaar vor dem Altar hätte es auch alleine geschafft, aber bei Hochzeiten darf ruhig gerne mal dick aufgetragen werden. Dazu sehe man seine niedliches Töchterchen erstmal vier Tage nicht, weil sie mit ihrem Papa und seiner Neuen (grummel) solange an den See verreist war und lasse sie sich kurz vor der Trauung direkt zu Kirche liefern. Die erste Zeit saß sie nur still auf meinen Schoß, beide Arme um meinen Hals geschlungen und hielt mich ganz fest. Dann löste sie sich immer mal wieder, strahlte mich herzergreifend an, legte ihre Stirn an meine und wir rieben die Nasen aneinander, um sich dann wieder fest in meine Arme zu werfen. Um mich herum seufzte es immer wieder, was für ein niedliches Kind!
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Donnerstag, 28. Mai 2015
Schreibblockade
berenike, 12:06h
Ich schreibe nicht. Sollte aber längst mit dem Aufsatz fertig sein und die Verzögerung lässt anderes unbearbeitet und erhöht den Druck. Woher gerade meine Schreibblockade kommt, kann ich noch nicht so ganz einordnen. Aber das sollte ich, um wieder in den Fluss kommen zu können.
- Es ist die erste Publikation auf diesem Gebiet. Eine andere erscheint zwar gerade, läuft bei mir aber gefühlt unter "das war doch noch nichts richtiges," außerdem negiere ich dabei etwas Elementares, mache also das Untersuchungsobjekt zu einem Nichtuntersuchungsobjekt.
- Ich wage mich hier tief ins Fachfremde vor, der Aufsatz wird aber gerade von diesen Fachfremden herausgegeben. Ergo habe ich Angst, mich mit meinen Überlegungen zu blamieren.
- Ich bearbeite Sachen, über die unser unberechenbarste Projektmitarbeiter ebenfalls schon publiziert habe. Ich widerlege ihn zwar nicht direkt, komme aber zu einer konträren Einschätzung. Und der ist eine seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet gefeierte Koryphäe - und das zu Recht.
- Ich möchte, dass mich eben diese Person gut findet.
- Wahrscheinlich wird in demselben Band ein Aufsatz zu selben Thematik erscheinen, geschrieben von meinem derzeit größten Konkurrenten. Eigentlich sollte er mir gefühlt nichts anhaben können.
- Ich befürchte, nicht genug Neues vorweisen zu können, belanglos zu sein und überhaupt, weil ich noch nicht so gut eingearbeitet bin, Wichtiges zu übersehen.
- Es ist die erste Publikation auf diesem Gebiet. Eine andere erscheint zwar gerade, läuft bei mir aber gefühlt unter "das war doch noch nichts richtiges," außerdem negiere ich dabei etwas Elementares, mache also das Untersuchungsobjekt zu einem Nichtuntersuchungsobjekt.
- Ich wage mich hier tief ins Fachfremde vor, der Aufsatz wird aber gerade von diesen Fachfremden herausgegeben. Ergo habe ich Angst, mich mit meinen Überlegungen zu blamieren.
- Ich bearbeite Sachen, über die unser unberechenbarste Projektmitarbeiter ebenfalls schon publiziert habe. Ich widerlege ihn zwar nicht direkt, komme aber zu einer konträren Einschätzung. Und der ist eine seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet gefeierte Koryphäe - und das zu Recht.
- Ich möchte, dass mich eben diese Person gut findet.
- Wahrscheinlich wird in demselben Band ein Aufsatz zu selben Thematik erscheinen, geschrieben von meinem derzeit größten Konkurrenten. Eigentlich sollte er mir gefühlt nichts anhaben können.
- Ich befürchte, nicht genug Neues vorweisen zu können, belanglos zu sein und überhaupt, weil ich noch nicht so gut eingearbeitet bin, Wichtiges zu übersehen.
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Donnerstag, 21. Mai 2015
Asyl
berenike, 14:34h
Wir sind etwas aufgeregt, als wir da so schnell zur Notsitzung einberufen um den großen Tisch versammelt sitzen. Alle haben es so kurzfristig nicht geschafft, aber stimmberechtigt sind wir längst. Eine Anwältin und eine Studentin von irgendeiner Flüchtlingsinitiative sitzen auch da, um uns über den Fall zu erzählen und zu beraten. Beide haben mich sehr beeindruckt, wie sie sich geduldig Zeit für unsere Fragen nehmen, ohne zu wissen, wie wir uns entscheiden werden. Sie müssen diese Prozedur schon oft hinter sich gebracht haben, nur um einen winzigen Schritt weiter kommen zu können.
Dann gehen sie und wir stimmen ab. Nicht einstimmig, obwohl wir es gewesen wären, damit die Staatsanwaltschaft uns nichts anhaben kann. Wir können nicht absehen, was auf uns zukommt, aber der Rechtsbruch, den wir mit unserem Ja eingehen, fühlt sich richtig an. Und ich bin stolz auf meine Kirchenvorstandskollegen, die trotz ihrer Bedenken dann doch alle mitmachen.
Einige meiner Kollegen wollten erst die Unterkunft, die Finanzierung, den Helferkreis organisiert haben, bis wir uns bereit erklären Asyl zu gewähren. Ich argumentiere dagegen: erst die Entscheidung, der Rest findet sich. Denn solange wir uns noch abzusichern versuchen, könnte er schon im Flugzeug nach Italien sitzen.
Natürlich bin auch ein wenig stolz auf mich, da mitzumachen. Andererseits ist es nur einer, einer unter Tausenden.
Dann gehen sie und wir stimmen ab. Nicht einstimmig, obwohl wir es gewesen wären, damit die Staatsanwaltschaft uns nichts anhaben kann. Wir können nicht absehen, was auf uns zukommt, aber der Rechtsbruch, den wir mit unserem Ja eingehen, fühlt sich richtig an. Und ich bin stolz auf meine Kirchenvorstandskollegen, die trotz ihrer Bedenken dann doch alle mitmachen.
Einige meiner Kollegen wollten erst die Unterkunft, die Finanzierung, den Helferkreis organisiert haben, bis wir uns bereit erklären Asyl zu gewähren. Ich argumentiere dagegen: erst die Entscheidung, der Rest findet sich. Denn solange wir uns noch abzusichern versuchen, könnte er schon im Flugzeug nach Italien sitzen.
Natürlich bin auch ein wenig stolz auf mich, da mitzumachen. Andererseits ist es nur einer, einer unter Tausenden.
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Sonntag, 26. April 2015
Schuhe
berenike, 15:30h
Immer noch bewegt von diesem schönen Gottesdienst. Ich hatte zum ersten mal in meinem Leben das Abendmahl mit ausgeteilt und während der Predigt Tränen in den Augen. So laufe ich beglückt, aber auch unruhig in meinem Büro auf und ab, ja, heute am Sonntag: der Aufsatz, die Korrekturen, der Vortrag...!l
Und dann muss ich mit einem mal meinem Tigergang mit einem Sprung beenden. Jetzt weiß ich es nämlich auf einmal: Ja, ich will das, ich will das, ich will das, jetzt weiß ich es endlich ganz ganz sicher!
Nicht diese Sicherheit, wie, wenn ich Schuhe entdecke, die ich schön finde und haben will. Sondern so eine Sicherheit, die weiß, das sind meine Schuhe, in denen laufe ich jetzt!
Und dann muss ich mit einem mal meinem Tigergang mit einem Sprung beenden. Jetzt weiß ich es nämlich auf einmal: Ja, ich will das, ich will das, ich will das, jetzt weiß ich es endlich ganz ganz sicher!
Nicht diese Sicherheit, wie, wenn ich Schuhe entdecke, die ich schön finde und haben will. Sondern so eine Sicherheit, die weiß, das sind meine Schuhe, in denen laufe ich jetzt!
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Freitag, 27. März 2015
Mann weg - Haare ab
berenike, 16:30h
Ich erfülle ja auch mal gerne Klischees und hatte heute deswegen einen Friseurbesuch. Ergebnis: Kinnkurz und Strähnchen, die man wirklich nicht als solche erkennt. Eigentlich hatte ich ja ganz andere Vorstellungen, so hübsch gestuft und halblang. Immerhin, nach jahrzehntelang langer Mähne. Die Chefin, wie die Dame des Ladens von allen nur genannt wird, redete mir meine Pläne aus und gut zwei Stunden später und eine dreistellige Summe ärmer verkörpere ich einen ganz anderen Frauentyp.
Seitdem bin ich vom Spiegel nicht mehr wegzubekommen. Und meine Kollegin hat sich gleich die Nummer geben lassen von der Chefin.
Seitdem bin ich vom Spiegel nicht mehr wegzubekommen. Und meine Kollegin hat sich gleich die Nummer geben lassen von der Chefin.
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