Montag, 1. Oktober 2012
Begegnung
Wie sehr mir ein Konzert gefehlt hat, merke ich erst, als es mit dem "Magnificat" vom C. F. E. Bach losgeht. Guter Laienchor, hervorragende Violinistin, machte alles Spaß, war aber nicht umwerfend.
Mein Rad steht, wo ich es gewohnheitsmäßig immer abstelle, und während ich es aufschließe, spricht mich ein älterer Mann an. Ob er mich etwas fragen dürfe. Ich bejahe es, er wird über 70 sein, sehr gepflegt, fast elegant, wirkt kontrolliert, fast militärisch. Und ich erinnere mich vage, dass ich diese Einschätzung schonmal getroffen hatte. Er fragt, ob ich mal ein neongrünes Rad gefahren habe. Eher goldgrün, meine ich, recht alt und etwas klapprig und überlege, ob es vielleicht mal ihm gehört hat und ich es geklaut...? Ich hatte es damals für einen Wink des Schicksals gehalten, weil es unweit meiner neuen Wohnung tagelang herrenlos und mit Platten an einem Baum lehnte und ich doch kein Geld hatte, aber ein Rad brauchte. Ich hatte es längst wieder ausgesetzt für den nächsten Finder. "Ja, es klapperte", schmunzelt der Alte und fragt weiter, ob ich vor einem Jahr am Totengedenksonntag hier in der Kirche im Gottesdienst war. Normalerweise kann ich mir sowas nicht merken, aber in diesem Fall erinnere ich mich an den Herrn, der so gefaßt traurig und gleichzeitig neugierig wirkte.
Er legt mir nur kurz die Hand auf die Schulter und sagt: "Sie haben mich damals einmal angelächelt. Einfach so. Dafür bin ich Ihnen heute noch dankbar."
Dann geht er.

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