Donnerstag, 3. Dezember 2015
Wut
Ich hatte vor einigen Wochen einen Termin bei einer Trennungsberatungsstelle/Elternhilfe beantragt, den ich zusammen mit dem verrückten Radfahrer wahrnehmen wollte. Es gehts ums Kind, es läuft gerade für sie nicht gut, ich will das ändern so gut es geht.
Die Mediatorin wurde mir empfohlen, sie ist gleichzeitig Kindergärtnerin an dem zukünftigen Kindergarten des kleinen Mädchens, wird aber nicht ihre Kindergärtnerin werden. Das erklärte ich dem Radfahrer, er war bereit zu kommen - und kam natürlich wieder zu spät!
Als er dann endlich im Büro saß, war die Mediatorin etwas angefressen und ich so hilflos wütend, dass ich den Tränen nahe war. Das besserte sich auch nicht, als sich herausstellte, dass der Radfahrer mich komplett falsch verstanden hat (wie sehr sehr oft) und davon ausging, es handele sich hier um ein informelles Gespräch des Kindergartens. Jetzt war er überrumpelt.

So angefangen verlief das Gespräch einfach scheiße. Ich wurde mehrfach laut und musste oft zum Taschentuch greifen. Seitdem habe ich Kopfschmerzen und bin einfach nur noch wütend. Die eigentliche Problematik kam nur ganz am Ende zur Sprache und er will es nicht hören, wälzt jede Schuld wieder auf mich.

Heute morgen dann die entnervte Tagesmutter, die kaum geschlafen hatte, weil sie den aufgebrachten Radfahrer abends noch am Telefon hatte.

Aber ich habe einen nächsten Termin ausgemacht. Im Januar erst. Die Mediatorin ist nämlich gut und ich werde weiter dafür kämpfen, dass mein kleines Mädchen auch wieder gerne zu ihrem Papa geht. Dazu gehört auch, mit meiner Wut und Enttäuschung fertig zu werden, aber dafür muss ich sie auch mal aussprechen dürfen und die Mediatorin verschafft mir den Raum dafür.

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Freitag, 27. November 2015
Zwischenleben
Meine Interimswohnung zehrt an Nerven und Kräften, meine neue Wohnung wird erst zwischen dem 7. und 15. Dezember fertig, Tendenz besteht zur Monatsmitte.
Ich fühle mich zwar ganz wohl in der aktuellen Wohnung, finde auch das sehr abgespeckte Bad- und Küchenarrangement nicht weiter schlimm, auf mich wartet ja besseres. Auch der etwas weitere Weg, der mittlerweile sehr verschlammte Fahrradanhänger, weil ich über unbefestigte Wege abkürze, die vielen Treppen zum Haus mit dem schweren Fahrradakku, Einkäufen und meistens noch dem müden kleinen Mädchen auf dem Arm, sind lästig, aber nicht schlimm.
Es ist einfach dieser Schwebezustand zwischen den beiden Umzügen seit nun schon dreieinhalb Monaten. Meine Möbel, Bücher und anderer Kram noch in der Radfahrerwohnung, einiges immerhin schon verpackt, vieles noch nicht. Wäsche wasche ich auch noch dort, wenn er gerade nicht da ist. Ich muss mir Mühe geben, mein Leben in dieser Zeit nicht komplett schleifen zu lassen, immer mit dem Gedanken, "in der neuen Wohnung dann..." Konzentration auf meine Arbeit fällt mir äußerst schwer, lieber suche ich im Büro im Internet nach Möbeln und Einrichtungsgegenständen, aber der Berg an Arbeit wird dadurch nbicht kleiner. "Wenn ich umgezogen bin...!"
Die Krise vor einiger Zeit habe ich dann mit einer Krankschreibung für fast eine ganze Woche gemeistert. Meine Hausärztin hätte mich auch länger ohne Symptome krankgeschrieben, aber der Druck wird dadurch nur immer größer.

Immerhin habe ich mich mit dem verrückten Radfahrer über den Unterhalt einigen können. Das endgültige Gespräch verlief dann sehr ernst, aber auch freundlich. Ein Beratungsgespräch im Jugendamt hatte mich selbstbewußter werden lassen und er wird über kurz oder lang halt mehr als 20 Stunden in der Woche arbeiten oder auf Harz IV Niveau leben müssen, aber das liegt in seiner Verantwortung. So langsam kann ich loslassen und denke nicht mehr soviel für ihn mit, habe nicht mehr so intensiv das Gefühl, ihn vor der Welt beschützen zu müssen.
Auch die Wut ist leiser geworden, ist aber noch da und ich erlaube sie mir.

Der nächste Schritt wird das Gespräch in der Trennungsberatung mit dem verrückten Radfahrer sein. Er sieht zwar keinen Bedarf, kommt aber und ich brauche einen Mediatoren, um zu ihm durchzudringen. Er scheint es normal zu finde, dass das kleine Mädchen nicht zu ihm will, sich nicht von ihm von der Tagesmutter abholen lassen will. Überspielt wird das halt mit Clownereien. Ich habe den Eindruck, dass für ihn gerade die Welt soweit in Ordnung ist, abgesehen von dem kleinen Betrag, den er nun monatlich an mich überweisen muß. Aber sie leidet und ich leide mit.

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Montag, 2. November 2015
Unterhalt
Am Samstag war ich mal wieder bei meiner neuen Wohnung. Zustand und Zeitvorstellung erfragen und einfach neugierig gucken. Ist ja fast so wie bauen, nur dass in diesem Fall schon eine alte Fachwerkscheune da stand, die "nur noch" ausgebaut werden musste. Mein zukünftiger Vermieter hatte kaum Zeit, war unrasiert und hatte es sogar geschafft, seinen 16jährigen computerspielsüchtigen Sohn einzuspannen. Es war der 31. Oktober und am 1. November wollte die neuen Mieterin einziehen. Nein, nicht ich, ich bekomme die zweite Wohnung. Nach den letzten Handgriffen vor Fertigstellung sah es allerdings nicht aus. Immerhin war das Bad annähernd fertig (nur die Toilette noch nicht angeschlossen), und der Boden auch schon fast ganz verlegt (ein Zimmer fehlt). Dass es statt Haustürbislang nur eine Plane gibt, kann ja für den Umzug auch ganz praktisch sein. Es soll halt eine antike Holztür von irgendeinen alten Bauernhof werden (und da bin ich sehr dafür!), die muss er erstmal finden und dazu fehlt ihm gerade die Zeit.
1. Dezember wird als neuer und definitiver Einzugstermin genannt und ab der Monatsmitte werde ich stundenweise aushelfen.

Mit dem verrückten Radfahrer stehe ich in Unterhaltsverhandlung. Er hatte mal eine Summe genannt und kann sich jetzt nicht mehr dran erinnern. Ich hätte das damals gleich festklopfen und unterschreiben lassen sollen. Jetzt muss er nachdenken und das kann bekanntlich dauern.

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Freitag, 30. Oktober 2015
Auto, Bus, Taxi, Feuerwehrauto, Bus, Fahrrad (schiebend), Bus, Auto
Das und in dieser Reihenfolge waren meine Verkehrsmittel gestern, ab Taxi mit dem kleinen Mädchen zusammen.

Morgends, noch allein, das kleine Mädchen hatte bei ihrem Papa übernachtet, den letzten Winterreifen aus dem Keller die 77 Treppenstufen hoch ins Autochen verfrachtet. Damit zur Werkstatt, von dort mit dem Bus ins Institut. Meine derzeitige Dauermigräne drohte mit Verschlimmerung, also bald wieder mit dem Bus nach Hause. Der Plan war, mittags mit dem Rad samt Anhänger das kleine Mädchen von der Tagesmutter abzuholen. Der Plan ging nicht auf, weil der Vorderreifen platt war, das wurde natürlich erst bei der Abfahrt bemerkt. Nachricht an die Tagesmutter, komme umbestimmt später (sehr sehr schlechte Busverbindung, mindestens einmal umsteigen, Berg rauflaufen), Antwort zurück, dass sie ausgerechnet heute pünktlich los müsse. Also Taxi. Und damit gleich wieder zurück ins Zentrum. Mit der ehemaligen Feuerwehrsfrau zum Mittagessen verabredet, weil sie gerade meine Stadt verlässt, nach dem Essen nahm sie uns noch mit zur Feuerwache, um dort einiges zu regeln. Das kleine Mädchen war im Paradies: Alles voll der tollen Feuerwehrautos und wir durften sogar rein! Helm und Jacke mal anziehen. Nur unter lautem Protest konnten wir wieder gehen. Bus nach Hause, dort das kleine Mädchen schonmal in den Radanhänger gesetzt und mit Notgummibärchen ruhig gestellt. 72 Treppenstufen (nicht eingerechnet der 3. Stock des Hauses...) rauf, um den Radwinterreifen (kommt halt jetzt schon drauf) zu holen, erstmal etwas trinken und zur Toillette, wieder runter und nochmal rauf, um den Reifen auch tatsächlich mitzunehmen und gleich die warme Jacke dort zu lassen. Dann das platte Rad mit dem Anhänger schieben. Nach ca. eineinhalb Stunden Ankunft in der Werkstatt, unterwegs musste das kleine Mädchen aber auch noch über ein paar Mäuerchen balancieren und beim Asialaden den Winkekatzen (allen!) zurückwinken. Dann Bus zur Autowerkstatt inklusive längeren Fußmarsch, den das kleine Mädchen größtenteils auf meinen Schultern zurücklegte. Von dort Blätter von den Bäumen pflücken und mir ins Haar stecken. Egal, allein, durchs mehrmalige Auf- und Absetzen des Kindes auf die Schultern ruiniert man sich die Frisur nachhaltig. Beim Automechaniker die viel zu günstige Rechnung durch großzügiges Trinkgeld aufgestockt (das ist vielleicht sein Geschäftsmodell) und mit dem alten Wagen wieder nach Hause gefahren.
Der nikotingetränkte zauselige Frührentner, der sich noch die Wohnung anschauen wollte, kam dann einfach zu einem falschen Zeitpunkt für ausgefeilte Diplomatie.

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Montag, 19. Oktober 2015
Antrag
Den ganzen Tag über trudeln Emails ein mit neuen Versionen, Verbesserungsvorschlägen, mit "schon ganz gut so" und "so geht das aber nicht!" Ich mache aus den Vorschlägen wieder runde Sachen, schreibe gleich ganz neu, versende wieder alles an alle oder einzelne. Dazwischen den verdatterten frisch gebackenen Gutachter Material über unser Forschungsprojekt zukommen lassen. Der Arme war der erste, der erreicht wurde und muss uns nun innerhalb von 24 Stunden eine Empfehlung schreiben. Er versuchts, sagt er.
Der Verleger, noch ganz wirr im Kopf von der Buchmesse, erzählt mir erstmal am Telefon stundenlang, wie er das berechnet und sichert mir dann auch seine Schnelligkeit zu.
Das Inhaltsverzeichnis habe ich schnell frisiert. Ich denke mir einfach aus, was die Autoren so als Titel haben könnten. Man kennt ja die einschlägigen Forschungsgebiete und Präferenzen.

Wie es zu diesem Dilemma kommen konnte, war vermutlich meine Schuld, aber ich versuche mich mit Rechtfertigungsbemühungen zurückzuhalten. Muss ja niemand wissen, dass ich es im Sommer einfach vergessen hatte, bei der Stiftung die Termine zu erfragen, bis wann ein Antrag eingereicht werden sollte. Muss ja niemand wissen, dass ich über den überstürzten Auszug beim verrückten Radfahrer, meiner Wohnsituation in einer quasi unmöblierten Wohnung ohne Warmwasser, aber mit Kleinkind, und meiner derzeitigen beruflichen Verwirrung so manch Wichtiges vergessen oder falsch verstanden habe.
Als ich dann endlich anrief, hieß es, die Unterlagen hätten innerhalb weniger Tage vorzuliegen. Seitdem rotieren wir und ich habe Spaß dran!

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Samstag, 10. Oktober 2015
Ein guten Tag
Dass das Kirchenasyl irgendwann einfach ohne Aufhebens und weiterer Schreiben und Anwaltbemühungen von uns aufgehoben werden konnte, war schon seit einigen Wochen angesichts der veränderten Lage klar. Unser Somalier traute sich aber dann doch erst das Haus zu verlassen, als die offizielle Bestätigung kam. Gestern wurde ihm von der Ausländerbehörde die Aufenthaltsgestattung ausgestellt. Der Pfarrer berichtet, wie er anschließend vor dem Amt gejubelt hat und gerufen: "ein guten, Tag ein guten Tag!!"
Nächste Woche der Umzug in die neue Wohnung, die wir für ihn gefunden haben. Er wird, das war Bedingung, dort mit einem deutschsprachigen Studenten zusammen leben. Und dann kann endlich mit einem regulären Deutschunterricht begonnen werden.

Und die alte Wohnung von ihm? Wir versuchen sie winterfest zu machen und in ihr eine ganzen Familie unterzubringen. Ich habe derweil eine bessere für mich gefunden und hoffe, sie bald beziehen zu können. In meiner Interimslösung fühlen das kleine Mädchen und ich uns zwar sehr wohl, aber ein richtiges Bad und Küche wären auch mal wieder ganz schön, ganz abgesehen von fließend warmen Wasser!

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Samstag, 22. August 2015
Zweimal Urlaub
Dieses Jahr verbringe ich zweimal Urlaub mit je einer Schwester. Die eine hat einen Wohnwagen an der Ostsee und schon im letzten Jahr fand ich, dass Ulraub mit Kleinkind auf einem Campingplatz direkt am Meer sehr erholsam sein kann. Und das obwohl diese Schwester und ich einen eher unentspanteren Umgang miteinander pflegen. Letztes Jahr lief bis auf einen kleineren Streit ganz prima, dieses Jahr fuhr ich deswegen völlig arglos und voller Vorfreude hin.

Nein, wir gingen uns nicht wegen der räumlichen Enge auf die Nerven, zumindest sie mir nicht, irgendwas wird allerdings für sie im Hintergrund gelegen haben. Schlechte Laune und schlechtes Wetter und dann wollte noch der elfjährige Sohn meiner Schwester nicht so wie sie, während ich mit dem kleinen Mädchen zum Eisessen aufbrach, wo sie dann doch gerne mitgekommen wäre, aber vorher zu lange mit dem Buch vor der Nase getrödelt und nun anderes Dringendes und Unlustiges vorhatte, und auf einmal wurde ich als Arschloch beschimpft. Am nächsten Morgen ging sie ganz normal zur Tagesordnung über. Ich ging erstmal mit meiner Kleinen in einem Café frühstücken und erklärte ihr anschließend, dass ich keine Entschuldigung von ihr einfordern, sie aber für mich gerade gut brauchen könnte. Das fand sie lächerlich und setzte noch manches Unschöne obendrauf und ich fand, weil an der Küste alles ausgebucht war, auf einmal Lübeck ganz reizvoll. Zur Abfahrt hat sie dann nochmal ordentlich nachgeliefert, das muss man schriftlich nicht wiederholen.
Lübeck mit Kleinkind war dann wunderbar. Das Hotel samt Personal und anderen Gästen entzückend und die schönen Kirchen dort waren auch für das kleine Mädchen spannend: Pferde auf Bildern, Kirchengestühl zum Klettern und Kreise um Altäre rennen.

Der andere Urlaub bei meiner in Liverpool wohnenden Schwester. Die kleinste von uns und die reifste, kann man manchmal meinen. Entspannte Tage mit Besichtigungen, Shopping, viel Tee, Siedlerspielen und guten Gesprächen. Damit aus Urlaub auch wirklich Urlaub wird, in Zukunft zusammen mit Familienmitgliedern, die sich auch benehmen können.

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Donnerstag, 30. Juli 2015
Wohnungssuche
Wir treffen uns wieder bei unserem Flüchtling. Er ist wie immer sehr aufgeräumt und freut sich sichtlich über die vielen Gäste. Das Begrüßen funktioniert mittlerweile schon viel besser, unsere Bemühungen, ihm ohne jegliche andere Sprachkenntnisse deutsch beizubringen, kommen langsam und mühsam, aber kommen voran.

Ich habe kurz Zeit mich mit dem Pfarrer in der Küche zu unterhalten. Er findet die Idee, dass ich diese phantastische Wohnung nach Ende des Kirchenasyls, und wenn wir eine passende Bleibe für den Flüchtling gefunden haben, übernehmen darf, auch immer besser. Er weiß mittlerweile auch von der Trennung, dass ich auf Wohnungssuche bin sowieso, denn ich hatte ihn sofort nach meinem Entschluss darüber informiert. In dieser Stadt sucht man am besten, indem man allen Bekannten erzählt, dass und was man sucht, nur so hat mein eine Chance etwas halbwegs bezahlbares zu finden. Und Pfarrer eignen sich hervorragend als Hobbyimmobilienmakler. Er will sich nun für mich einsetzen, seitdem bin ich völlig aus dem Häuschen, auch, weil ich zum ersten Mal das Bad - allein das wäre ein Einzugsgrund! - gesehen habe.

Während der Besprechung überlege ich schonmal, wie ich die Wohnung einrichten könnte. Ich würde sie nicht langfristig bekommen, aber das ist mir egal. Mein nächster Arbeitsvertrag wird mich wahrscheinlich sowieso in eine andere Stadt führen und solange möchte ich mit dem kleinen Mädchen hier wohnen: meterdickes mittelalterliches Mauerwerk, trotzdem recht hell durch die vielen Fenster mit altmodischen doppelten Fensterflügeln, Balken an den Decken, einige Wände steinsichtig mit vermauerten Bögen drin und viel Platz!
Ich versuche, mich nicht zu auffällig umzuschauen, wir haben aber auch Wichtiges zu klären. Wegen der Schul- und Semesterferien sind kaum Leute da und wir schaffen keinen zweimaligen Besuch mehr am Tag, sondern nur noch einen. Dann müssen wir für ein neues Gutachten nach Gründen suchen, warum ein Aufenthalt in Deutschland unserer Meinung nach unabdingbar ist und warum wir überhaupt das Kirchenasyl gewährt haben. Während wir alles zusammentragen und der Übersetzer, der nur selten mit dabei sein kann, alles in dieser seltsam klingenden Sprache leise weitergibt, wird deutlich sichtbar, wie sehr wir diesen sanften Menschen ins Herz geschlossen haben. Die Psychologin macht uns, selbst verwundert, darauf aufmerksam, dass - trotz Folter, Vertreibung und Mord einiger Familienmitglieder - von ihm kein Hass ausgeht. Irgendwie brauchen wir das aber auch, oder es macht uns diese Betreuung einfach leichter, in ihm einen ganz besonderen Menschen sehen zu dürfen.

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Freitag, 17. Juli 2015
Frühstück
Mein kleines Mädchen ist in den letzten Tagen richtig verschmust geworden. Gegen viel Körperkontakt hatte sie noch nie etwas einzuwenden (außer wenn Fremde sie sofort anfassen wollen), aber nun geht es oft und sehr erfinderisch von ihr aus. Heute Morgen wurde eine neue Frühstücksart eingeführt. Wie fast immer aßen wir süßen Hirsebrei mit viel Obst. Irgendwann wollte sie von ihrem Stühlchen zu mir auf den Schoß rüberklettern, dann klatterte sie weiter hinter mich und stand auf dem Stuhl, legte ihre kleinen Ärmchen um meinen Hals, schaukelte mich etwas hin und her und ließ sich abwechselnd mal über die eine und andere Schulter füttern. Das alles mit viel Kichern und "hier lang!" Rufen, damit ich ihr den Löffel nicht "aus Versehen" über die falsche Schulter reiche.

Mit so einem verspielt verschmusten Mädchen kann man auch eine ganze Hochzeitsgesellschaft rühren. Das Brautpaar vor dem Altar hätte es auch alleine geschafft, aber bei Hochzeiten darf ruhig gerne mal dick aufgetragen werden. Dazu sehe man seine niedliches Töchterchen erstmal vier Tage nicht, weil sie mit ihrem Papa und seiner Neuen (grummel) solange an den See verreist war und lasse sie sich kurz vor der Trauung direkt zu Kirche liefern. Die erste Zeit saß sie nur still auf meinen Schoß, beide Arme um meinen Hals geschlungen und hielt mich ganz fest. Dann löste sie sich immer mal wieder, strahlte mich herzergreifend an, legte ihre Stirn an meine und wir rieben die Nasen aneinander, um sich dann wieder fest in meine Arme zu werfen. Um mich herum seufzte es immer wieder, was für ein niedliches Kind!

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Donnerstag, 28. Mai 2015
Schreibblockade
Ich schreibe nicht. Sollte aber längst mit dem Aufsatz fertig sein und die Verzögerung lässt anderes unbearbeitet und erhöht den Druck. Woher gerade meine Schreibblockade kommt, kann ich noch nicht so ganz einordnen. Aber das sollte ich, um wieder in den Fluss kommen zu können.

- Es ist die erste Publikation auf diesem Gebiet. Eine andere erscheint zwar gerade, läuft bei mir aber gefühlt unter "das war doch noch nichts richtiges," außerdem negiere ich dabei etwas Elementares, mache also das Untersuchungsobjekt zu einem Nichtuntersuchungsobjekt.
- Ich wage mich hier tief ins Fachfremde vor, der Aufsatz wird aber gerade von diesen Fachfremden herausgegeben. Ergo habe ich Angst, mich mit meinen Überlegungen zu blamieren.
- Ich bearbeite Sachen, über die unser unberechenbarste Projektmitarbeiter ebenfalls schon publiziert habe. Ich widerlege ihn zwar nicht direkt, komme aber zu einer konträren Einschätzung. Und der ist eine seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet gefeierte Koryphäe - und das zu Recht.
- Ich möchte, dass mich eben diese Person gut findet.
- Wahrscheinlich wird in demselben Band ein Aufsatz zu selben Thematik erscheinen, geschrieben von meinem derzeit größten Konkurrenten. Eigentlich sollte er mir gefühlt nichts anhaben können.
- Ich befürchte, nicht genug Neues vorweisen zu können, belanglos zu sein und überhaupt, weil ich noch nicht so gut eingearbeitet bin, Wichtiges zu übersehen.

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